Anthrax
Blöcke von der Feuerwehrwache auf der Duane Street entfernt war, wo Curt und Steve arbeiteten. Bisher hatte er seine beiden Partner noch nie bei der Arbeit besucht; doch jetzt beschloß er, kurz bei ihnen vorbeizuschauen. Er konnte ihnen zwar noch nicht bestätigen, daß das Anthrax wirkte – eine Frage, die er sowieso nur für rein theoretisch hielt –, doch er konnte sie zumindest informieren, daß er den Test in Gang gesetzt hatte. Und das war schließlich aufregend genug; denn es bedeutete, daß Operation Wolverine unmittelbar bevorstand. All die Planungen und Vorbereitungen waren beendet. Jetzt hieß es nur noch, ausreichende Mengen der Kampfstoffe herzustellen und sie zu versprühen.
Kapitel 3
Montag, 18. Oktober, 11.30 Uhr
»Meinst du wirklich, wir sollten das tun?« fragte Steve Henderson. »Wir dürften wohl kaum so viel in Erfahrung bringen, daß es so ein Risiko wert ist.« Curt packte seinen Freund am Ärmel und stoppte ihn. Sie standen vor dem Jacob Javits Federal Building am Federal Plaza Nummer 26. Jede Menge Menschen strömten über den belebten Platz. In dem Gebäude arbeiteten fast sechstausend Verwaltungsangestellte, tausend Bürger gingen hier täglich ein und aus.
Curt und Steve trugen ihre frisch gebügelten blauen Feuerwehruniformen der Klasse B. Ihre schwarzen Schuhe glänzten in der strahlenden Oktobersonne. Curts Hemd war einen Ton heller als das von Steve, außerdem zierte ein winziges goldenes Bullenhorn Curts Kragen. Vier Jahre zuvor war er zum Lieutenant befördert worden. »Bei einer Operation von dieser Größenordnung sind Aufklärungseinsätze zwingend erforderlich«, wies Curt seinen Kumpel zurecht und vergewisserte sich durch einen verstohlenen Blick auf die hin-und herströmenden Menschen, daß ihnen niemand Beachtung schenkte. »Was, zum Teufel, haben sie dir in der Armee eigentlich beigebracht? Das hier ist ein absolutes Muß!«
Seit ihrer Kindheit waren Curt und Steve miteinander befreundet. Sie waren beide in der von Arbeitern geprägten Gegend von Bensonhurst im Bezirk Brooklyn aufgewachsen; beide waren ruhige, höfliche und auf peinliche Ordnung bedachte Einzelgänger gewesen, die sich aufgrund ihrer gleichen Gesinnung im Laufe der Jahre, vor allem während der High-School-Zeit, zueinander hingezogen gefühlt hatten. Als Schüler verhielten sie sich ziemlich desinteressiert; bei Eignungsprüfungen hatten sie jedoch immer überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt, wobei Curt noch besser abgeschnitten hatte als Steve. Auch in ihrer Unsportlichkeit glichen sie sich, obwohl Curts älterer Bruder einer der legendären Football-Stars von Bensonhurst gewesen war. Meistens hatten sie einfach nur ›herumgehangen‹, wie sie ihr Tun selber beschrieben. Schließlich waren sie bei der Armee gelandet: Curt nach einem sechsmonatigen erfolglosen Versuch, am College klarzukommen, und Steve, nachdem er ein Jahr lang im Klempnerbetrieb seines Vaters gearbeitet hatte.
»Ich habe bei der Armee genausoviel gelernt wie du bei den Marines«, schoß Steve zurück. »Komm mir bloß nicht wieder mit dem Scheiß von deinen ach so tollen Marines!«
»Jedenfalls werden wir das Zeug unter keinen Umständen am D-Day hier reintragen, ohne das Gebäude vorher ausgekundschaftet zu haben«, entschied Curt. »Es muß in das Klimaanlagensystem eingeleitet werden. Wir müssen sicherstellen, daß wir ungehinderten Zugang zu den Apparaturen haben.« Nervös nahm Steve das hohe Gebäude ins Visier. »Aber wir haben doch die Pläne. Wir wissen doch, daß sich die Anlage im zweiten Stock befindet.«
»Verdammt noch mal!« fluchte Curt. Dabei hob er verzweifelt die Hände, einschließlich seines Klemmbretts. »Kein Wunder, daß du bei den Green Berets rausgeflogen bist. Willst du kneifen, oder was?«
Im Gegensatz zu ihren eher dürftigen schulischen Karrieren hatten sich sowohl Curt als auch Steve in ihren jeweiligen Bereichen der Streitkräfte hervorgetan. Curt war nach Camp Pendieton in Kalifornien gegangen, Steve nach Fort Bragg in North Carolina. Sie waren beide schnell zu Unteroffizieren befördert worden. Die strengen Reglementierungen hatten ihren Ehrgeiz entfacht, so daß sie pflichteifrige, ordnungsbesessene Mustersoldaten geworden waren. Am meisten hatten sie sich für Waffen aller Art interessiert, vor allem aber für Sturmgewehre und Handfeuerwaffen. Für ihre Treffsicherheit erhielten beide Auszeichnungen.
Über die Jahre hinweg hatten die beiden Freunde nur unregelmäßig Kontakt gehalten.
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