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Anthrax

Anthrax

Titel: Anthrax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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möglichst vermied. Deshalb entschied er, nicht noch einmal anzurufen.
    Ohne auch nur den blassesten Schimmer von den katastrophalen Auswirkungen seines Handelns zu haben, drückte Yuri auf den Startknopf, der die Feinmahlanlagen in Gang setzte. Fast im gleichen Augenblick stimmten die Maschinen ihr kreischendes Getöse an, das sogar durch die isolierten Wände des Kontrollraums drang. Die Tagesproduktion des tödlichen Anthraxpulvers hatte begonnen. Das System funktionierte automatisch. Die aus getrockneten Sporen bestehenden Kuchen kamen auf Förderbändern angefahren und fielen an deren Ende in die rotierenden Stahltrommeln der Feinmahlanlagen. Nachdem sie von den Stahlkugeln zermahlen waren, rieselte das feine Pulver aus dem unteren Teil der Trommeln heraus und wurde in versiegelte Sicherheitsbehälter verpackt. Die Behälter wurden von außen desinfiziert und konnten dann in Geschütze oder RaketenSprengköpfe eingelegt werden. Yuri richtete seinen Blick sofort auf die Innendruckanzeige. Der Druck fiel im selben Moment. Die leisen Zweifel, die ihm wegen der seltsamen Eintragung im Kontrollbuch gekommen waren, lösten sich in Luft auf, als der Druck weiter fiel und auch das leicht erhöhte Level, auf das die Anlage das letzte Mal heruntergefahren worden war, unterschritten wurde. Offensichtlich hatte der Wartungsdienst das Problem tatsächlich wie vermerkt behoben.
    Yuri kontrollierte die anderen Anzeigen und Meßdatensysteme. Alle Messungen befanden sich in den jeweiligen grünen Bereichen. Er nahm einen Stift und begann mit dem Eintrag für die Tagesschicht des 2. April. Sorgfältig notierte er sämtliche Meßda-ten in den entsprechenden Zahlenreihen. Als die Daten für die Messung des Innendrucks an die Reihe kamen, fiel ihm etwas Überraschendes auf: Der Druck war weiter gefallen und war jetzt so niedrig, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Der Zeiger hing sogar schon am untersten Rand der Skala.
    Yuri klopfte mit dem Knöchel seines rechten Zeigefingers gegen das Meßgerät. Er wollte sicherstellen, daß die altmodische Nadelanzeige nicht hängengeblieben war. Die Nadel bewegte sich nicht.
    Der junge Mann hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Beim Innendruck gab es im Bereich der grünen Zone keinen unteren Grenzwert, sondern nur einen oberen. Die Idee des Prinzips war, das Pulver auf jeden Fall im Inneren der Anlage zu halten, in dem die Luft konstant vom Raum in die Maschinen gesogen wurde. Der Unterdruck sollte dafür sorgen, daß die Luft nie in die entgegengesetzte Richtung strömen konnte. Daher spielte es keine Rolle, ob der Druck niedriger war als normal. Eigentlich hieß das sogar, daß das System noch effektiver funktionierte. Erneut warf Yuri einen Blick aufs Telefon und überlegte, ob er seinen Vorgesetzten anrufen sollte, doch er entschied sich ein zweites Mal dagegen. Er hatte sich schon einmal von Gergiyev anhören müssen, daß seine ewigen Befürchtungen absurd seien, und er hatte beim besten Willen keine Lust, schon wieder eins aufs Dach zu bekommen. Gergiyev wollte nicht mit unbedeutendem Kleinkram belämmert werden. Dafür hatte er viel zuviel zu tun.
    Um acht Uhr dachte Yuri an seine Mutter, die sich jetzt auf dem Weg zur Keramikfabrik befinden mußte. Die Fabrik lag direkt im Südosten von Anlage 19. Nadya hatte ihm oft erzählt, daß sie auf dem Weg zur Arbeit immer an ihn dachte. Yuri hatte ihr nie verraten, was für eine Arbeit er in der Fabrik verrichtete. Hätte er etwas gesagt, hätte er sie beide in Gefahr gebracht.
    Die Zeit schleppte sich dahin. Yuri sehnte sich nach der Neun-Uhr-Pause. Um viertel vor neun trug er noch einmal Meßdaten in das Kontrollbuch ein. Als er die Anzeige für den Innendruck in Augenschein nahm, zögerte er zum zweiten Mal. Die Nadel hatte sich nicht bewegt; sie hing immer noch am unteren Ende der Skala fest. Während er das Meßgerät anstarrte, wurde ihm mit einem Mal ganz anders. Ein schrecklicher Gedanke schoß ihm durch den Kopf.
    »Bitte! Laß es nicht passieren!« betete er. Im nächsten Augenblick schlug er instinktiv auf den roten Stoppschalter. Der schrille, bis in den Kontrollraum dringende Lärm der in den Stahlzylindern rotierenden Stahlkugeln verstummte sofort. Bei Yuri blieb ein Klingeln in den Ohren zurück. Zitternd vor Angst, öffnete er die Tür des Kontrollraums. Hinter sich hörte er das Telefon klingeln, aber er ignorierte es. Er mußte herausfinden, was passiert war. Am hintersten Ende der Feinmahlanlagen angelangt, keuchte

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