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Anthrax

Anthrax

Titel: Anthrax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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tatsächlich ein paar Impfstoffe produziert, doch Yuri arbeitete in dem erheblich größeren inneren Bereich. Die Impfstoffproduktion diente dem KGB lediglich zur Tarnung der tatsächlichen Funktion der Fabrik. Die pharmazeutische Anlage in Swerdlowsk war in Wahrheit ein Ableger von Biopreparat, dem gigantischen sowjetischen Biowaffenprogramm. Yuri war nur ein Rädchen im Getriebe der fünfundfünfzigtausend Mann starken Belegschaft, die sich auf zahlreiche in der ganzen Sowjetunion verstreute Anlagen verteilte. Die Fabrik firmierte unter der harmlos klingenden Bezeichnung Anlage 19. Am Werkstor mußte Yuri anhalten und seinen Ausweis vorzeigen. Daß der Mann im Pförtnerhaus dem KGB angehörte, war ihm zu dem Zeitpunkt längst bekannt. Während er wartete, stampfte er, gegen die eisige Kälte ankämpfend, mit den Füßen auf den Boden. Sie wechselten keine Worte miteinander. Worte waren überflüssig. Der Pförtner nickte, reichte den Ausweis zurück, und Yuri betrat das Gelände.
    An diesem Tag begann er von den Mitarbeitern der Tagesschicht als einer der ersten. Die Anlage war immer in Betrieb: rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche. Als jüngerem Belegschaftsmitglied fiel es Yuri und ein paar anderen auf der gleichen Hierarchieebene angesiedelten Kollegen zu, die notwendigen Reinigungsarbeiten im Inneren der Sicherheitszone zu erledigen. Die Mitarbeiter des regulären Reinigungstrupps hatten zu diesem Bereich keinen Zutritt.
    Im Umkleideraum nickte Yuri seinem Spindnachbarn Alexis zu. Für eine Unterhaltung war es einfach zu früh, schließlich hatte noch keiner von ihnen eine Tasse Tee oder Kaffee zu sich genommen. Schweigend zogen sich die beiden, ebenso wie zwei weitere Kollegen, ihre roten Bioschutzanzüge an und stellten die Belüftungs-Ventilatoren ein. Ohne durch die transparenten Plastikvisiere Blickkontakt miteinander aufzunehmen, prüften sie wie jeden Morgen gegenseitig den korrekten Sitz ihrer Schutzkleidung.
    Hermetisch gegen Außeneinflüsse geschützt, wartete die Gruppe außerhalb der Drucktür, bis sie sich automatisch öffnete. Alle schwiegen. Der Druck in der Eingangskammer fiel. Als die innere Tür aufging, schlichen sie leise an ihre jeweiligen Arbeitsplätze. In den klobigen Anzügen, in denen sie eher wie futuristische Roboter als wie Menschen aussahen, konnten sie sich nur breitbeinig fortbewegen. Der monotone Schichtbeginn war sorgfältig inszenierte Routine und änderte sich nie. Von Woche zu Woche, von Monat zu Monat – es war immer die gleiche Prozedur. Am Morgen dieses 2. April 1979 schien nichts anderes zu sein als an jedem beliebigen anderen Morgen. Doch der Schein trog. Ohne daß die vier jungen Männer auf ihrem Weg zu ihren jeweiligen Arbeitsbereichen irgend etwas ahnten, trat ein Problem auf. Niemand von ihnen hatte die geringste Vorahnung, was für eine Katastrophe sich anbahnte. In der Anlage von Swerdlowsk arbeitete man vorwiegend mit zwei Mikrobenarten: dem Bazillus anthracis und dem Clostridium botulinum. Die zu Waffen verarbeiteten Formen dieser Bakterien waren beim Bazillus anthracis Sporen und beim Clostridium botulinum kristallisierte Toxine. Aufgabe der Fabrik war es, von beiden Erregern soviel wie möglich zu produzieren.
    Yuri hatte in der Anlage 19 zunächst mehrere verschiedene Arbeitsbereiche durchlaufen und den gesamten Produktionsbetrieb kennengelernt. Nach einem Monat war er dann in der Anthrax-Abteilung gelandet. In den zwei Jahren, die er in der Fabrik arbeitete, war er immer in der Herstellung tätig gewesen. Dort wurden die aus den gigantischen Fermentationsanlagen kommenden flüssigen Kulturen zu einer Art kleiner Kuchen getrocknet und diese dann zu einem Pulver zermahlen, das aus fast reinen Anthraxsporen bestand. Konkret arbeitete Yuri als Überwacher der Feinmahlanlagen.
    Die Feinmahlanlagen bestanden hauptsächlich aus rotierenden, mit Stahlkugeln gefüllten Stahltrommeln. Sorgfältige, in einem anderen Teil der Fabrik durchgeführte Tierversuche hatten ergeben, daß das Pulver am tödlichsten und effizientesten wirkte, wenn die Partikel eine Größe von fünf Mikron hatten. Um diese Partikelgröße zu erreichen, muß-ten die Feinmahlapparate mit einer bestimmten Geschwindigkeit und mit Stahlkugeln einer speziellen Größe eine festgelegte Zeitlang rotieren.
    Im normalen Produktionsbetrieb wurden die Feinmahlanlagen während der Nacht für routinemäßige Wartungsarbeiten außer Betrieb gesetzt. Für das Abschalten der Anlagen war der Aufseher

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