Anthrax
der Fassung zu geraten. Was er da hörte, gefiel ihm immer weniger. »Sie sagt, sie sei neugierig gewesen«, erwiderte Yuri. »Was allerdings keinen Sinn macht. Ich hatte ihr nämlich angedroht, sie umzubringen, wenn sie den Keller betritt und irgend etwas anfaßt.«
»Vielleicht müssen wir deine Drohung wahrmachen«, entschied Curt.
»Du meinst, wir sollten sie tatsächlich umbringen?« fragte Yuri.
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Schließlich nickte Curt. »Vielleicht. Ich sagte es ja bereits – diese Operation ist für uns alle von größter Bedeutung. Womöglich ist sie für uns das Wichtigste, was wir je im Leben vollbringen werden. Ich verdeutliche dir gern an einem Beispiel, wie sehr mir die Sache am Herzen liegt. Am Wochenende habe ich erfahren, daß sich ein Feind in die People’s Aryan Army eingeschleust hat. Sein Name war Brad Cassidy. Heute weilt Brad Cassidy nicht mehr unter uns, und an der Leiche fehlen seine Lieblingsteile.«
»Deine Frau stellt ein enormes Sicherheitsrisiko dar«, erklärte Steve. »Weiß sie, was du hier unten machst?«
»Bis heute hat sie geglaubt, ich würde Wodka brennen«, gab Yuri Auskunft.
»Was heißt, daß sie das jetzt nicht mehr glaubt«, schloß Curt daraus.
»Stimmt«, gestand Yuri.
»Das ist schlecht«, meinte Curt. »Da sie weiß, daß du in der Sowjetunion in der Biowaffenindustrie gearbeitet hast, kann sie sich an fünf Fingern abzählen, was hier unten vor sich geht.«
»Sehen wir uns erst mal das Labor an«, schlug Steve vor. Yuri betrat die Eingangskammer, Curt und Steve folgten ihm dicht auf den Fersen.
»Benutzt du den Klasse-A-Schutzanzug, den wir dir besorgt haben?« wollte Curt wissen und nickte in die Richtung, wo die Schutzkleidung am Haken hing.
»Immer«, erwiderte Yuri. »Jede Sekunde, die ich im Labor verbringe, trage ich den Anzug. Ich will schließlich nichts riskieren. Wenn ich gleich die Innentür öffne, solltet ihr auf keinen Fall reingehen! Außerdem rate ich euch, die Luft anzuhalten – nur um auf Nummer Sicher zu gehen. Ihr werdet die leichte Brise spüren. Die Luft strömt von außen ins Labor hinein.«
Curt und Steve nickten. Nun, da sie so nah dran waren, fragten sie sich, ob es überhaupt notwendig war, einen Blick ins Innere des Labors zu werfen. Allein der Gedanke, daß in der Luft womöglich unsichtbare todbringende biologische Wirkstoffe umherschwebten, jagte ihnen einen kalten Schauder über den Rücken. Was sie bereits gesehen hatten, reichte ihnen voll und ganz; sie waren überzeugt, daß Yuri sein Versprechen halten würde. Doch bevor sie etwas sagen konnten, öffnete Yuri die Innentür und trat zur Seite. Mißtrauisch beugten sich die beiden Feuerwehrmänner nach vorn und warfen einen Blick auf die Fermenter und die übrigen Apparate.
»Sieht gut aus«, stellte Curt fest. Dann trat er schnell einen Schritt zurück und bedeutete Yuri, die Tür wieder zu schließen.
»Soll ich euch noch einen Teil der fertigen Ware zeigen?« fragte Yuri.
»Ich glaube, das ist nicht nötig«, wehrte Curt ab. »Ich habe auch genug gesehen«, fügte Steve hinzu. »Jetzt sollten wir nach oben gehen und mit deiner Frau sprechen«, schlug Curt vor. »Sie stellt unser neuestes Sicherheitsrisiko dar. Wir müssen unbedingt herausfinden, was sie weiß.«
Yuri schloß die Tür. »Ich repariere die Schlösser noch heute abend«, versprach er und führte seine beiden Kumpane wieder nach oben. Während er auf Connies Schlafzimmertür zusteuerte, kehrten Curt und Steve ins Wohnzimmer zurück. Stehend nahm jeder von ihnen einen kräftigen Schluck von seinem Wodka. Dabei ließen sie Yuri nicht aus den Augen. Er hatte die Tür einen Spaltbreit geöffnet und sich ins Zimmer gebeugt. Sie hörten ihn zwar sprechen, verstanden aber nicht, was er sagte. Nach seinem Ton zu urteilen regte er sich offenbar gerade auf. Schließlich kam er zurück ins Wohnzimmer. »Sie kommt«, erklärte er. »Es kann sich nur um Stunden handeln.«
Curt und Steve warfen sich entnervte Blicke zu. Die Situation wurde immer unangenehmer.
»Komm endlich, Frau!« brüllte Yuri ungeduldig in Richtung Schlafzimmer.
Schließlich erschien Connies massige Silhouette im Türrahmen, den sie fast vollständig ausfüllte. Sie trag einen monströsen pink-farbenen Bademantel mit meergrün abgesetzten Rändern. Ihre Füße steckten in hinten offenen Latschen. Ihr linkes Auge war dunkelrot angelaufen und geschwollen. Aus ihren Mundwinkeln sickerte eine angetrocknete Blutspur.
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