Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anthrax

Anthrax

Titel: Anthrax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
Grippe gewesen sein!« staunte Jack. Ihm fiel auf, daß der Verstorbene keine vierundzwanzig Stunden im Krankenhaus verbracht hatte. Aber er registrierte auch, daß der Mann ein starker Raucher gewesen war und bereits früher unter Atemwegserkrankungen gelitten hatte. Das warf die Frage auf, ob der Krankheitserreger extrem stark oder der Patient ungewöhnlich anfällig gewesen war. »Willst du ihn übernehmen oder nicht?« wollte George wissen. »Wir haben heute morgen jede Menge Fälle. Ich habe dir auch schon ein paar andere zugeteilt, unter anderem einen Strafgefangenen, der in der Haft gestorben ist.«
    »Stöhn«, grummelte Jack. Er wußte, daß derartige Fälle in der Regel ein kompliziertes politisches und bürokratisches Nachspiel hatten. »Bist du sicher, daß unser unerschrockener stellvertretender Boß den Fall nicht lieber selbst übernehmen würde?«
    »Er hat eben angerufen und angeordnet, daß ich dir die Sache übergeben soll«, teilte George ihm mit. »Irgendein hohes Tier aus der Polizeihierarchie hat sich schon bei ihm gemeldet, und er war der Meinung, daß du am besten geeignet bist, die Sache glatt durchzuziehen.«
    »Das soll ja wohl ein Witz sein«, entgegnete Jack, für den das alles keinen Sinn machte. Sowohl der stellvertretende Leiter als auch der Leiter des Instituts beklagten sich ständig über sein mangelndes diplomatisches Geschick und seine mangelnde Würdigung der politischen und gesellschaftlichen Aspekte der Gerichtsmedizin.
    »Wenn du den Infektionstoten nicht willst, habe ich noch einen Überdosis-Fall, den du übernehmen kannst«, fuhr George fort.
    »Ich nehme den Infektionsfall«, stellte Jack klar. Überdosisfälle mochte er ganz und gar nicht. Sie brachten nie etwas Neues, und das Institut wurde von Drogentoten förmlich überschwemmt. Sie stellten für ihn keinerlei intellektuelle Herausforderung dar.
    »Okay«, sagte George und notierte Jack auf seiner Liste. Jack brannte darauf, sich in seine Arbeit zu stürzen. Er ging zu Vinnie und klappte den Rand von dessen Zeitung um. Vinnies kohlrabenschwarze Augen sahen ihn mürrisch an. Er war wenig begeistert und wußte, was auf ihn zukam. Es war fast jeden Morgen die gleiche Prozedur. »Erzähl mir nicht, daß du jetzt schon anfangen willst«, klagte er.
    »Früher Vogel fängt den Wurm«, zitierte Jack. Dieser Spruch war seine Standardantwort auf Vinnies konstanten Mangel an frühmorgendlichem Enthusiasmus. Mit der Bemerkung konnte er seinen Sektionsgehilfen immer wieder aufs neue provozieren, auch wenn dieser natürlich längst im voraus wußte, was er zu hören bekam.
    »Wenn ich doch bloß verstehen würde, warum du nicht einfach zu dem Zeitpunkt anfängst wie alle anderen«, murmelte Vinnie vor sich hin.
    Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussah, kamen Jack und Vinnie prima miteinander aus. Da Jack mit Vorliebe sehr früh zur Arbeit erschien, arbeiteten die beiden unweigerlich zusammen, und im Laufe der Jahre hatten sie sich gut aufeinander eingespielt. Jack zog Vinnie allen anderen Sektionsgehilfen vor, und Vinnie arbeitete am liebsten mit Jack. In Vinnies Worten »spielte Jack mit offenen Karten‹.«
    »Hast du Dr. Montgomery schon gesehen?« fragte Jack seinen Assistenten auf dem Weg zum Fahrstuhl. »Sie ist viel zu intelligent, als daß sie so früh hier aufkreuzen würde«, grunzte Vinnie, »und viel zu normal – im Gegensatz zu dir.«
    Auf dem Weg durch die Telefonzelle registrierte Jack aus dem Augenwinkel, daß in dem winzigen Polizeibüro von Sergeant Murphy Licht brannte. Der Sergeant arbeitete für die Vermißtenstelle des New Yorker Police Department. Man hatte ihn für die nächsten Jahre dem Gerichtsmedizinischen Institut zugeteilt. Eigentlich kam er selten vor neun Uhr.
    Neugierig, ob der temperamentvolle Ire tatsächlich heute schon arbeitete, änderte Jack seine Richtung und warf einen Blick in das Büro. Nicht nur Murphy war anwesend, er hatte bereits Besuch. Ihm gegenüber saß Detective Lieutenant Lou Soldano von der Mordkommission, im Leichenschauhaus ein häufiger Gast. Jack kannte ihn ziemlich gut, vor allem weil er ein guter Freund von Laurie war. Neben ihm saß noch ein anderer Mann, der Zivilkleidung trug und den Jack nicht kannte.
    »Hallo!« rief Lou, als er ihn entdeckte. »Komm mal kurz rein! Ich möchte dir jemanden vorstellen.« Jack betrat den kleinen Raum. Lou stand auf. Wie immer machte der Detective den Eindruck, als ob er die ganze Nacht nicht im Bett gewesen wäre. Er war

Weitere Kostenlose Bücher