Anthrax
aus massivem Stahl, anstatt einfach nur die herausgerissenen Schrauben zu ersetzen. Ein künftiger Eindringling würde jedenfalls etwas Stabileres als eine Brechstange benötigen, wenn er die Schlösser das nächste Mal knacken wollte.
Während er arbeitete, dachte er über den beunruhigenden Besuch von Curt und Steve nach. Er konnte es gar nicht fassen, daß die beiden so sauer auf ihn waren; am wenigsten verstand er, warum sie sich so darüber geärgert hatten, daß er bei der Feuerwache aufgekreuzt war. Die Erklärung, daß er als Ausländer mit russischem Akzent angeblich für zuviel Aufsehen sorgte, klang an den Haaren herbeigezogen. Dafür war New York eine viel zu kosmopolitische Stadt. Jeder zweite Bewohner sprach mit Akzent. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß es noch einen anderen Grund gab, warum sie ihn auf der Wache nicht sehen wollten. Er wußte zwar nicht welchen, aber er fühlte sich unbehaglich. Zum ersten Mal fragte er sich, wie Curt und Steve überhaupt zu ihm standen. Daß die beiden jede Menge Vorurteile hatten, war ihm nicht neu; doch auf einmal ging ihm durch den Kopf, daß sie vielleicht auch ihm gegenüber voreingenommen waren. Wenn das zutraf, waren sie nicht die Freunde, für die er sie gehalten hatte. Die zweite Sache, wegen der die beiden sich so aufgeregt hatten, nämlich daß Connie schwarz war, erschien ihm ebenso mysteriös. Nicht daß er sich über ihre Voreingenommenheit gewundert hätte. Er wußte sehr wohl, daß Curt und Steve rassistisch und intolerant waren. Aber wirklich überrascht hatte ihn die Heftigkeit ihrer Wut. Ihr Zorn war ihm so unverhältnismäßig vorgekommen, daß er Steves pseudoreligiöse Erklärung nicht für bare Münze nehmen konnte. Weder Curt noch Steve hatte je durchklingen lassen, daß sie religiös waren.
Schließlich kam dann noch der Streit um den Schädlingsbekämpfungswagen und den Aerosol-Vernebler dazu. Yuri verstand nicht, warum sie ihm das Fahrzeug nicht längst besorgt hatten. Es ging doch um einen wichtigen Bestandteil ihrer Vereinbarung. Ohne den Wagen konnte er seinen Part der Operation nicht durchführen. Er benötigte unbedingt einen Zerstäuber, und dieser mußte darüber hinaus mobil sein. Eine fixe Quelle wäre nicht annähernd so wirksam. Bevor er sich an die Reparatur der Innentür machte, zog er den Schutzanzug an und öffnete das Ventil des Druckluftzylinders. Im Gegensatz zu der beim Tauchen verwendeten Art von Regler sorgte seiner dafür, daß ein konstanter Luftstrom in den Anzug geblasen wurde, um zu verhindern, daß irgendwelche Partikel aus der Umgebung eindringen konnten. Im Schutzanzug zu arbeiten war wesentlich anstrengender und ziemlich schweißtreibend; aber Yuri störte sich nicht daran, auch wenn er langsamer vorankam. Schließlich wußte er, wie riskant es war, auf den Anzug zu verzichten. Als auch die Innentür wieder in Ordnung war, widmete er sich der Fermentationsanlage mit dem Clostridium botulinum. Er testete die Bakterienkonzentration und war wieder einmal enttäuscht. Die Kultur gedieh viel zu langsam, und er hatte nicht die geringste Ahnung, warum. Seiner Meinung nach hatte er sich strikt an die Bedingungen gehalten, unter denen die Kultur ein Jahrzehnt zuvor in der sowjetischen Biowaffenfabrik so erfolgreich angezüchtet worden war. Damals hatten seine Kollegen und er genau ausgetüftelt, bei welchen Gegebenheiten die Kultur optimal gedieh und ein Maximum des Toxins produzierte.
Ihm fiel nur eine mögliche Erklärung ein: Irgendwie mußte Luft in den Fermenter gelangen. Clostridium botulinum war eine Bakterie, die ohne Sauerstoff gedieh. Dementsprechend hatte Yuri anstelle von Luft nur Kohlendioxid an die Kultur gelassen. Womöglich war der Kohlendioxidzylinder, den Curts Leute ihm besorgt hatten, nicht in Ordnung. Leider konnte er nicht prüfen, ob es wirklich an dem Zylinder lag; denn wenn er einen neuen anforderte, würden sie zuviel Zeit verlieren.
Er bückte sich und kontrollierte die Temperatur im Inneren des Fermenters. Sie lag ein paar Grad unter dem optimalen Wert. Er stellte den umfunktionierten Wasserthermostat neu ein und erhob sich. Die zu niedrige Temperatur förderte das Gedeihen der Kultur mit Sicherheit nicht, aber die Ursache für das extrem langsame Wachsen konnte auch darin nicht liegen.
Er dachte über Curts Vorschlag nach, die Produktion in dem Clostridium-Fermenter auf Anthrax umzustellen, um künftig in beiden Anlagen Anthraxsporen heranzuzüchten. Er mußte zugeben, daß die Idee
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