Anthrax
bewerkstellige, das beweist, daß ich qualifiziert bin«, stellte Yuri klar. »Wenn ich es schaffe und einen guten Job ergattere, können wir noch einmal neu anfangen. Dann gehen wir wieder aus, so wie früher.«
»Wer’s glaubt, wird selig.«
»Wart’s ab«, versprach Yuri. »Willst du nun eine Pizza oder nicht?«
»Okay, warum nicht«, erwiderte Connie. »Peperoni und Anchovis. Und vergiß nicht ein Pfund Walnußsahneeis zum Nachtisch.«
»Okay«, sagte Yuri. Er nötigte sich ein Lächeln ab und schloß die Tür. Eins war so sicher wie das Amen in der Kirche: Diese Frau ließ sich durch nichts den Appetit verderben. Daß sie auch noch Eiskrem verlangt hatte, kam ihm ganz gelegen. Für das Botulinustoxin war Eis wahrscheinlich ein besser geeignetes Medium; vor allem konnte er absolut sicher sein, daß sie den ganzen Topf wegputzen würde. Er ging zum Wandtelefon in der Küche und rief den Pizzadienst von Brighton Beach an. Zuerst gab er Connies Bestellung auf, dann orderte er für sich selbst eine normale Pizza mit Mozarella, Tomaten und Basilikum. Als er gerade auflegen wollte, ergänzte er seine Bestellung noch um einen Salat und einen Kaffee. Die Nacht konnte lang werden. Die Zeit verstrich, und Yuri ging in der Wohnung auf und ab. Er wurde immer nervöser. Obwohl er Curt gegenüber so selbstsicher getan hatte, war er sich keineswegs im klaren, was genau passieren würde, wenn Connie das Toxin zu sich genommen hatte. Das Problem war, daß er keine Ahnung hatte, wie hoch die Dosierung sein mußte. Er konnte ihr einfach nur ein bißchen ins Eis mischen und dann das Beste hoffen. Auf jeden Fall mußte er ihr lieber zuviel als zuwenig verpassen. Wenn es Connie nur schlechtgehen und jemand Verdacht schöpfen würde, daß ein bakterieller Erreger im Spiel war, würde er mitsamt seinem Kellerlabor unweigerlich auffliegen. Als es an der Tür klopfte, fuhr er vor Schreck zusammen. Aus Angst vor Ärger lugte er vorsichtig durch die Jalousien und war erleichtert, als er den Jungen vom Pizzadienst sah. Er öffnete die Tür, bezahlte und nahm die Pakete entgegen. Die beiden Pizzen befanden sich in einer Isolierverpackung und waren so heiß, daß er sie kaum anfassen konnte. Er schob die Fast-food-Hüllen beiseite, die Connie auf dem Tisch zurückgelassen hatte, und stellte die Pizzaschachteln und die Tüte mit dem Salat, dem Kaffee und dem Eis ab. Das Eis interessierte ihn am meisten. Er nahm es aus der Tüte und stellte es auf die Küchentheke. Der Becher gab ein bißchen nach. Im Gegensatz zu den Pizzen war das Eis nicht in einer Isoliertasche geliefert worden. Dann huschte er auf Zehenspitzen zu Connies Schlafzimmer und preßte sein Ohr gegen die Tür. Er hörte den Fernseher klar und deutlich. Wahrscheinlich lag sie immer noch fett und träge auf dem Bett.
Er ging zurück in die Küche und bemühte sich, den Eisbecher zu öffnen, ohne den Deckel zu beschädigen. Als er es geschafft hatte, überlegte er, wie er mit dem Toxin umgehen sollte. Wenn er es in einer Portion hineinschüttete, fürchtete er, daß Connie es womöglich schmecken und sofort wieder ausspucken würde. Nachdem er alle in Betracht kommenden Möglichkeiten erwogen hatte, nahm er ein Schälchen und füllte einen Großteil der Eiskrem hinein. Dann holte er das Reagenzglas hinter dem Schrank hervor, hielt die Luft an und streute den todbringenden Stoff auf das Eis. »Ach, was soll’s!« flüsterte er vor sich hin und klopfte auch noch den Rest dazu. Insgesamt gab er nur eine kleine Prise des Pulvers in die Eiskrem – aber wenn das Toxin so tödlich war, wie er hoffte, war es eine hohe Dosis. Vermutlich hoch genug, um ganz Brighton Beach auszulöschen. Er spülte das Röhrchen aus und ließ das Wasser lange laufen. Danach rührte er das Eis, so gut es ging, mit einer Gabel durch und beförderte es mit einem Löffel zurück in den Originalbecher. Seltsamerweise erwies sich dies als äußerst schwierig, denn das Eis schien sich auf wundersame Weise vermehrt zu haben. Schließlich hatte er es geschafft und alles in den Becher zurückgeschaufelt. Er verschloß ihn mehr schlecht als recht.
Beim Reinigen des Schälchens schwor er sich, es nie wieder zu benutzen. Wenn die Nacht vorüber war, würde er es zusammen mit der Gabel in den Müll werfen. Nachdem er sich gründlich die Hände gewaschen hatte, nahm er einen Löffel aus der Schublade. Mit dem Eisbecher in der einen und er Peperonipizza-Schachtel in der anderen Hand steuerte er Connies Zimmer an.
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