Anthrax
in einer Reihe mit einigen der hervorragendsten Patrioten aus dem Großen Vaterländischen Krieg. Bei dieser Vorstellung huschte ein Grinsen über sein Gesicht.
Eine plötzlich aufkommende Windböe, die das Laub auf der Straße aufwirbelte und die Fliegentür von Yuris Haustür ein paarmal gegen den Rahmen schlug, katapultierte ihn aus seinen Gedanken zurück in die Realität. Vor dem großen Ereignis mußte noch viel getan werden, und seine erste Sorge galt im Augenblick Connie.
Er eilte zurück ins Haus, hielt vor Connies Tür inne und lauschte. Vom dudelnden Fernseher abgesehen konnte er kein Geräusch ausmachen. Unsicher, was ihn erwarten würde, öffnete er behutsam die Tür.
Connie lag reglos da, doch ihre Hautfarbe hatte sich drastisch verändert. Vor allem ihre Lippen hatten eine dunkelviolette Farbe angenommen. Yuri näherte sich dem Bett.
»Connie?« rief er und rüttelte an ihrer Schulter. Sie bewegte sich nicht. Er hob ihren Arm. Als er merkte, daß er total schlaff war, ließ er ihn aufs Bett zurückfallen. Dann bückte er sich und brachte sein Ohr ganz dicht an ihren Mund. Sie atmete, allerdings nur ganz flach. Er griff nach ihrem Handgelenk. Ihr Puls war noch tastbar, aber zu schnell und äußerst schwach.
Er richtete sich auf und fragte sich, ob es an der Zeit war, den Notarzt zu rufen, oder ob er noch ein bißchen warten sollte. Die Entscheidung war schwierig; schließlich wollte er auf keinen Fall riskieren, daß Connie aufwachte, wenn man ihr in der Notaufnahme Sauerstoff verabreichte. Falls das passierte, war sie womöglich imstande, den Ärzten und Schwestern vom Verlauf ihrer Symptome zu berichten. Gleichzeitig hielt Yuri es aber auch für günstiger, wenn sie lebendig im Krankenhaus eintraf. Sonst würde man ihn womöglich mit der Frage konfrontieren, warum er seine Frau nicht früher eingeliefert hatte.
Nun knipste er die Nachttischlampe an und öffnete ihr rechtes Auge. Ihre Pupille war starr und stark erweitert. Offenbar wurde es Zeit, den Notarzt zu rufen. Zurück in der Küche, ging er zum Wandtelefon und wählte die Notrufnummer. So aufgelöst wie möglich schilderte er, er habe seine Frau ohnmächtig und kaum noch atmend vorgefunden. Ihre Haut sei dunkel gefärbt, und früher am Abend habe sie gekeucht, fügte er hinzu. Er nannte seine Adresse und erfuhr, daß der Krankenwagen sich sofort auf den Weg machen werde.
Nach dem Anruf kehrte er ins Schlafzimmer zurück und musterte seine Frau. Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß ihr geschwollenes linkes Auge ihn in die Bredouille bringen konnte. Auf keinen Fall durfte der Verdacht aufkommen, daß er seine Frau mißhandelt hatte; denn das konnte ohne weiteres Untersuchungen nach sich ziehen, ob Connie eines gewaltsamen Todes gestorben war. Vielleicht sollte er sagen, daß sie hingefallen war. Angesichts der Tatsache, daß sie auf dem Bett lag, klang diese Lüge allerdings nicht besonders überzeugend. Ein Blick durch die offenstehende Badezimmertür brachte ihn auf eine Idee.
Von der anderen Seite des Bettes aus versuchte er Connie in eine sitzende Position zu wuchten. Leider entpuppte sich dies angesichts ihrer Masse und ihres Gewichts als extrem schwierig; daß ihr Körper total schlaff war, erleichterte die Sache auch nicht gerade. Er rollte sie auf die Seite, das Gesicht von ihm weggedreht, und packte sie unter den Achselhöhlen. Einen Fuß auf den Rand der Matratze gestützt, gelang es ihm schließlich, sie langsam zu sich heranzuziehen. Doch dann passierte ein Unglück. Als er Connies Oberkörper gerade vom Bett gezerrt hatte, rutschte der Bettvorleger, auf dem er stand, weg, und er fiel auf den Rücken. Connie begrub ihn mit ihrem massigen Körper, und im nächsten Augenblick glaubte er zu ersticken Fast eine Minute lang rang er verzweifelt nach Luft. Connies Gewicht lastete so schwer auf ihm, daß er nicht atmen konnte. Allmählich begann das Zimmer vor seinen Augen zu verschwimmen, und er hatte furchtbare Angst, in Ohnmacht zu fallen.
Mit einer letzten Kraftanstrengung gelang es ihm schließlich, sich so weit zu drehen, daß er einigermaßen Luft bekam. Doch nun mußte er sich daranmachen, sich aus Connies schlaffer Umklammerung zu befreien. Unter Einsatz all seiner Kräfte schaffte er es schließlich, sich aus Connies Würgelast zu lösen. Er rappelte sich auf und keuchte. Für einen Augenblick war er versucht zu fliehen; doch dann blieb er wie angewurzelt stehen und starrte auf seine inzwischen auf dem Bauch liegende Frau
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