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Anti-Eis

Anti-Eis

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Großbritanniens
verfügen lediglich über eine einzige Abwehr gegen die
Anti-Eis-Artillerie: – Zeit. Wenn wir unsere wertvollen
Eisvorräte vergeudet haben, können sie wie die Wölfe
über uns herfallen.«
    Holden und ich leerten unsere Gläser und begaben uns in den
Speisewagen. Während ich, innerlich durch den Whisky
gewärmt, durch den Zug schritt, registrierte ich ein
rhythmisches Rattern. Ich hatte fast den Eindruck, in einer gezogenen
Straßenbahn zu sitzen. Ich schaute aus dem Fenster und sah,
daß die das Meer überspannende Schiene an Pylonen fixiert
war, und immer, wenn der Zug einen Pylon passierte, trat dieses kaum
merkliche Rucken auf. Die Pylonen waren Konstruktionen aus
Eisenverstrebungen, die unmittelbar aus der dunkler werdenden
Oberfläche des Kanals zu wachsen schienen – aber wie ich
wußte, waren die Pylonen auf großen Pontons befestigt,
die unter der Wasseroberfläche verankert waren. Der Auftrieb
dieser Pontons ließ sie an ihren Ankertrossen zerren und
resultierte in einer Plattform, die steif und robust den
berüchtigten Strömungen im Kanal trotzte.
    Mir war bekannt, daß alle drei Kanalbrücken auf diese
Art konstruiert waren. Dies war durch die geringe Masse der Trasse
selbst und die Tatsache bedingt, daß der Meeresboden unter dem
Kanal keine massiven Fundamente aufnehmen konnte.
    Wir nahmen im Speisewagen Platz, und bald genossen wir ein
vertrautes, beruhigendes Ambiente: Das Klirren von Besteck auf
Tellern, die mit dem Emblem der Eisenbahngesellschaft verziert waren,
zivilisierte Konversation im Hintergrund, das volle Aroma guter
britischer Küche und später den Wohlgeruch von Portwein,
Brandy, Kaffee und guten Zigarren. Holden und ich sprachen nur wenig
während des Essens; als wir das Mahl jedoch beendet hatten,
schob ich den Stuhl zurück, streckte die Beine aus und hielt
Holden mein Brandyglas entgegen. »Laßt uns auf das
Anti-Eis trinken«, sagte ich mit vielleicht etwas schwerer
Zunge, »und seine Schöpfung, die vielen Wunder dieser
Zeit!«
    »Darauf trinke ich«, erwiderte Holden lächelnd. Er
lehnte sich zurück und hakte seine dicken Daumen in die Uhrkette
ein. »Aber ich würde Euch nicht raten, den Trinkspruch zu
bekräftigen, indem Ihr einen Würfel aus Anti-Eis in Euren
nächsten Whisky fallen laßt. Ihr müßt
nämlich wissen, daß Anti-Eis diese Bezeichnung seiner
absoluten Unverträglichkeit mit jeder ›normalen‹
Substanz verdankt – in diesem Fall wäre das der Whisky und
das Glas. Das Anti-Eis und eine äquivalente Masse Whisky und
Glas würden einfach verschwinden – und durch einen enormen
Betrag an Wärmeenergie ersetzt werden, die sich explosionsartig
entfaltet. Dürfte Eurem Genuß ziemlich abträglich
sein.«
    »Dann kann also gewöhnlicher Whisky – oder irgend
etwas anderes – in eine so zerstörerische Substanz wie,
sagen wir, Dynamit verwandelt werden?«
    Er lächelte nachsichtig und fuhr mit der Hand durch seinen
strubbeligen Schopf. »Noch viel explosiver, junger Freund. Aber
wir wissen nicht, wie. James Maxwell hat die Hypothese aufgestellt,
daß Anti-Eis vielleicht irgendeine chemische Reaktion mit
normaler Materie eingeht, genauso wie Sauerstoff mit anderen
Elementen reagiert, und dabei Energie in Form von Wärme und
Licht freisetzt.« Er betrachtete mein Gesicht, das, wie ich
befürchte, Verständnislosigkeit ausdrückte. »Ich
beschreibe gerade den normalen Vorgang der Verbrennung«, sagte
er sanft. »Feuer, Ned.«
    »…Aha. Nun, dann ist das also die Antwort! Anti-Eis ist
eine neue Variante des Sauerstoffs, und was wir hier haben, ist eine
neue Art von Feuer.«
    »Vielleicht. Aber Joule hat nach seinen Experimenten mit
Thomson dargelegt, daß das Energiepotential von
Anti-Eis-Reaktionen das aller bekannten chemischen Reaktionen um
mehrere Größenordnungen übertrifft. Vielleicht haben
wir es hier mit Kräften zu tun, die aus einer tieferen Struktur
der Materie resultieren, unterhalb und jenseits der bekannten
Kräfte, die an chemischen Reaktionen beteiligt sind. Ned,
möglicherweise werden wir erst im nächsten Jahrhundert so
tief in das Wesen der Materie vordringen können – mit
starken Mikroskopen vielleicht –, um die dem Anti-Eis
innewohnenden Geheimnisse aufzudecken.«
    Ich bestellte mir noch einen Brandy. »Das ist ja alles sehr
schön«, meinte ich, »aber was sagen diese
berühmten Burschen, Maxwell und…«
    »Joule.«
    »Ja, Joule; wie beurteilen sie denn das, was in meinen Augen
das größte Rätsel ist – die

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