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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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ein Philosoph, einfach ein Philosoph, nur ein Philosoph, nichts als ein Philosoph? Aus der Sicht eines Menschen, der sich nach Anerkennung sehnt, führt die Philosophie nicht schnell genug zu weltweitem Ruhm anders als eine wissenschaftliche Entdeckung.
    Mit der Entstehung der Psychoanalyse aus Legenden, Märchen und Mythen korrespondiert eine immense Wut gegen jenen Philosophen, dessen Einfluss am offensichtlichsten ist und der einen – mit der Legendenbildung unvereinbaren – wahren, richtigen und starken Gedanken vertritt: Alle Philosophie ist das autobiographische Geständnis ihres Autors, sie ist das Produkt eines Körpers und keine epiphanische Idee aus einer unerklärlichen anderen Welt. Freud stilisierte sich als Mensch ohne äußere Einflüsse, ohne Biographie, ohne historische Wurzeln – so verlangte es die Legende.

    Freud kämpfte unablässig gegen die Philosophen und die Philosophie, ganz so wie Lukian von Samosata, Pascal, Montaigne oder auch Nietzsche. Sie alle vertraten eine großartige Tradition, derzufolge wahres Philosophieren darin besteht, sich über die Philosophie zu mokieren. Dass Freud statt des erhofften Nobelpreises für Medizin den Goethepreis erhielt, lag natürlich daran, dass ein fachkundiges Gremium sein Werk bereits zu seinen Lebzeiten für eher literarisch als für wissenschaftlich hielt!
    In der selbst verfassten freudschen Mythologie spielt Goethe eine wichtige Rolle, sei er doch der Ausgangspunkt eines ganzen Schicksalsweges gewesen. Und tatsächlich wies Goethe Freud den Weg, als dieser zweifelte, am meisten der Philosophie zugetan war und seine medizinische Laufbahn – die er selbst als Missverständnis bezeichnete – noch nicht eingeschlagen hatte. In »Selbstdarstellung« und Die Frage der Laienanalyse erwähnt Freud, dass ihn die Lektüre von Goethes Aufsatz Die Natur zum Medizinstudium bewogen habe.
    In Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung gab Freud 1914 vor, Schopenhauer zwar gelesen zu haben; seine eigene Theorie der Verdrängung habe aber nichts mit dessen Werk Die Welt als Wille und Vorstellung zu tun, obwohl sie ihr gleicht und der seinen über ein halbes Jahrhundert vorausgeht! Wer die tausend Seiten von Eduard von Hartmanns Philosophie des Unbewußten gelesen hat, erkennt zudem Berührungspunkte zwischen Freud und ihm, der seinerseits ein Anhänger Schopenhauers war. Die Parallelen betreffen insbesondere die zentrale Frage der Determinanten des Unbewussten. Freud versicherte, er habe seine Theorie der Verdrängung allein und ohne Hilfe erdacht und offengelegt, und zeigte sich dann hoch erfreut darüber, sie von Schopenhauer bestätigt zu sehen.
     
    Doch Freuds Beziehung zu Nietzsche erweist sich als problematischer und, um es deutlich zu sagen, neurotischer. Im bereits erwähnten Bekenntnistext schreibt er weiter: »Den hohen Genuß
der Werke Nietzsches habe ich mir dann in späterer Zeit mit der bewußten Motivierung versagt, daß ich in der Verarbeitung der psychoanalytischen Eindrücke durch keinerlei Erwartungsvorstellung behindert sein wolle.« ( Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung, Bd. X, S. 53) Welch seltsames Geständnis! Weshalb sollte man sich einen besonderen Genuss versagen? Auf bewusste Motive Bezug nehmen, wenn das eigene Theoriegebäude auf der Annahme basiert, das Unbewusste sei die Wurzel von allem? Wieso hält man sich dann nicht an diese Methode und befragt nicht sein eigenes Unbewusstes im Hinblick auf diese bedeutsame Ablehnung? Was bedeutet die vage Formulierung »Erwartungsvorstellung«?
    Freud hat also Schopenhauer gelesen, wurde aber angeblich nie von seinen Theorien beeinflusst, selbst dort nicht, wo sie vergleichbar sind. Und Freud hat Nietzsche nicht gelesen, um nicht von ihm beeinflusst zu werden! Doch wie kann er von dieser Gefahr wissen, ohne sich bereits im Klaren darüber zu sein, dass die Thesen sich gleichen? Der Wiener Doktor mag so viel abstreiten, wie er will: Für jeden halbwegs philosophisch informierten Leser bleibt der Eindruck, dass Freuds Lehre ein Abkömmling des nietzscheschen Denkens ist.
    Freud kannte Nietzsche, und selbst wenn er ihn nicht gelesen haben sollte, so hat er sich doch mit anderen über ihn ausgetauscht, die Nietzsche auf dem Weg nach Èze bei Nizza begegnet waren. Auch während seiner Studienjahre zwischen 1873 und 1881 traf Freud auf Nietzsche in Brentanos Philosophievorlesungen. In einem Brief an Fließ vom 1. Februar 1900 erwähnt Freud, Nietzsches Werke gekauft zu haben.

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