Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Skeptiker waren entweder selbst religiös oder standen zumindest der Religion nicht ablehnend gegenüber (das heißt, sie begrüßten es, wenn andere religiös waren).
Unternehmens-Teleologie
Während meiner Zeit als Student der Wirtschaftswissenschaften besuchte ich nur selten Seminare zum Thema strategische Planung, obwohl es sich dabei offiziell um Pflichtveranstaltungen handelte, und wenn ich doch einmal im Seminarraum auftauchte, hörte ich dem, was dort vorgetragen wurde, nicht eine Nanosekunde lang zu; nicht einmal die Bücher kaufte ich mir. Die Studentenkultur hat ihr ganz eigenes Gespür für Themen, wir wussten, dass es dort nur Geschwätz zu hören gab. Ich absolvierte die erforderlichen Managementkurse, indem ich die Professoren durcheinanderbrachte, mit komplizierten Logiken herumspielte, und ich hätte es für intellektuell unredlich gehalten, mehr Seminare zu besuchen, als unbedingt nötig war.
Wirtschaftsunternehmen sind von der Idee strategischer Planung besessen. Sie bezahlen dafür, sich vorstellen zu können, wohin sie sich entwickeln. Allerdings gibt es keinerlei Belege dafür, dass strategische Planung funktioniert – eher für das Gegenteil. William Starbuck, ein Managementspezialist, hat einige Aufsätze veröffentlicht, in denen er den Mythos von der Effektivität von Planungsmaßnahmen entzaubert – sie machen Unternehmen unfähig, Optionen zu erkennen, da sie auf eine nicht-opportunistische Verfahrensweise festgelegt werden.
Fast alle theoretischen Elemente im Management, vom Taylorismus bis zu den ganzen Produktivitätsgeschichten, wurden nach empirischen Testmethoden als Pseudowissenschaft entlarvt – wie bei den meisten wirtschaftswissenschaftlichen Theorien bewegt sich auch hier alles in einem evidenzfernen Paralleluniversum. Matthew Stewart, ein studierter Philosoph, war eine Zeitlang als Managementberater tätig und gibt davon in seinem Buch The Management Myth eine abstoßende, aber auch unterhaltsame Insiderdarstellung zum Besten. Sie erinnert stark an die Selbstbedienungsmentalität der Banker. Und auch Abrahamson und Friedman entzaubern in ihrem großartigen Buch A Perfect Mess viele dieser sauberen, knappen, teleologischen Vorgehensweisen. Ergebnis: Strategische Planung ist nichts anderes als abergläubisches Geschwätz.
Um die Verschiebungen im Geschäftswesen, also rationale, opportunistische Verschiebungen zu illustrieren, hier ein paar Beispiele. Coca-Cola war zunächst ein pharmazeutisches Produkt. Tiffany & Co., das exklusive Schmuckunternehmen, begann als einfacher Laden. Während bei diesen beiden die Nähe zum Ursprung noch erkennbar ist, stellte Raytheon, der Entwickler des ersten Raketenlenksystems, zunächst Kühlschränke her (einer der Gründer war kein anderer als Vannevar Bush, der das teleologisch-lineare Wissenschaftsmodell ersann, das wir bereits kennengelernt haben – ausgerechnet!). Und ein noch abenteuerlicherer Fall: Nokia, früher einmal führend in der Handy-Herstellung, fing als Papierfabrik an (irgendwann haben sie auch Gummistiefel hergestellt). DuPont, dessen Name für die Teflon-Antihaft-Pfannen steht, für Corian-Oberflächen und die hoch belastbaren Kevlar-Fasern, begann als Sprengstoffhersteller. Die spätere Kosmetikgesellschaft Avon betrieb zunächst einen Haustürverkauf von Büchern. Der kurioseste Fall ist Oneida Silversmiths: Der Besteckhersteller ging aus einer religiösen Gemeinschaft hervor, deren Angehörige sich wegen behördlicher Vorschriften eine Scheinidentität als Aktiengesellschaft zulegen mussten.
Das umgekehrte Truthahn-Problem
Einige Hintergrundinformationen zur Epistemologie statistischer Aussagen: Ich möchte zeigen, wie das Unbekannte, das man nicht sieht, im einen Fall positive, im anderen Fall negative Informationen enthalten kann, wobei im Bereich von Extremistan die Kontraste noch um einiges stärker ausgeprägt sind.
Um es noch einmal zu sagen (ich muss diesen Sachverhalt öfter wiederholen, Intellektuelle vergessen ihn zu gern): Beweise für eine Abwesenheit sind nicht dasselbe wie die Abwesenheit von Beweisen. Beim Antifragilen scheinen in Daten aus der Vergangenheit positive Informationen nicht vorhanden zu sein, beim Fragilen sind es die negativen Informationen, die nicht unbedingt in Erscheinung treten.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit einem Notebook nach Mexiko, um aufgrund zufälliger Begegnungen mit den Menschen, die Ihnen gerade über den Weg laufen, das Durchschnittsvermögen der Bevölkerung
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