Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
haben mag – vor dem Hintergrund der Asymmetrie und Optionalität, die wir in Abbildung 7 gezeigt haben, ist seine Argumentation nicht beweiskräftig. Es wäre also besser, er würde sich ein anderes Thema suchen, etwas weniger Gefährliches, das Harvard-Studenten interessieren könnte, etwa wie man eine überzeugende Power-Point-Präsentation erstellt oder worin sich die japanische von der französischen Managerkultur unterscheidet. Und noch einmal: So recht er zum Beispiel hinsichtlich des beklagenswerten Potentials von Biotechnologieanlagen hat – die von ihm verwendeten Daten geben das nicht her.
Warum ist nun die Denkweise von Theoretikern wie Professor Pisano so gefährlich? Nicht aus dem Grund, dass er Forschungen auf dem Biotechnologiesektor verhindert. Das Problem ist, dass ein solcher Fehler alles auf dem ökonomischen Sektor verhindert, was antifragile Eigenschaften hat (in der Fachterminologie gesprochen: alles »Rechtsschiefe«). Und er würde der Fragilität Vorschub leisten, wenn er solche Bereiche begünstigt, die »sichere Wetten« bieten.
Bemerkenswerterweise machte ein anderer Professor aus Harvard, Kenneth Froot, genau denselben Fehler, allerdings in der entgegengesetzten Richtung, mit negativen Asymmetrien. Er analysierte Rückversicherungsgesellschaften (jene, die Versicherungen gegen Katastrophen anbieten) und meinte, eine Abweichung festgestellt zu haben. Sie machten im Verhältnis zu den Risiken, die sie eingingen, zu große Gewinne, denn Katastrophen ereigneten sich offenbar weniger häufig , als es sich in den Prämien niederschlug. Was er nicht sah, war der Punkt, dass große Katastrophen die Versicherungen ausschließlich im negativen Sinn treffen und dass sich diese Katastrophen aus Daten aus der Vergangenheit nicht erschließen lassen (denn, wie gesagt: Sie sind selten). Denken Sie an das Truthahn-Problem. Ein einziger Zwischenfall – die Verbindlichkeiten aufgrund von Asbestklagen – trieb mehrere Versicherergruppen von Lloyds in den Ruin, wobei über viele Generationen hinweg angesammelte Einkünfte verloren gingen. Ein einziger Zwischenfall!
Wir kommen noch einmal auf diese beiden unterschiedlichen Ertragsformen zu sprechen – mit der Variante »links begrenzt« (limitierte Verluste, wie bei der Wette des Thales) und »rechts begrenzt« (limitierte Gewinne, etwa bei Versicherungen oder Banken). Die Unterscheidung ist ausschlaggebend, da die meisten Erträge entweder in die eine oder in die andere Kategorie gehören.
Siebenmal Scheitern, plus oder minus zwei
Ich schließe diesen Abschnitt mit einigen Regeln, die sich aus dem bisher Gesagten ergeben. 1. Halten Sie nicht nur Ausschau nach Optionalität, sondern reihen Sie die Dinge entsprechend ihrer Optionalität auf, und zwar 2. indem Sie solche mit nach oben offenen, nicht begrenzten Erträgen bevorzugen; 3. investieren Sie nicht in Businesspläne, sondern in Menschen, und halten Sie Ausschau nach Personen, die in der Lage sind, sechs- oder siebenmal (oder sogar noch häufiger) im Lauf ihrer Karriere neu anzufangen (eine Strategie, die zum Modus Operandi des Risikokapitalanlegers Marc Andreessen gehört); in Menschen zu investieren macht immun gegen die im Nachhinein geschönten Erzählmuster von Businessplänen. Es ist einfach robuster, sich so zu verhalten. 4. Sorgen Sie dafür, dass Sie (am besten mit Hilfe von Hanteln) ausreichend trainiert sind – was auch immer das für Ihren Tätigkeitsbereich heißen mag.
Der Scharlatan, der Akademiker und der Showman
Ich beende dieses Kapitel mit einem traurigen Gedanken: unserer Undankbarkeit gegenüber den vielen, die dafür gesorgt haben, dass wir hier sind, indem sie unseren Vorfahren halfen zu überleben.
Unser fehlendes Verständnis für konvexes Tüfteln, für Antifragilität und für die Frage, wie wir mit dem Zufall zurechtkommen, ist untrennbar (natürlich nicht bewusst und explizit) mit der Beschaffenheit unserer Institutionen verwoben. Es gibt in der Medizin eine Kategorie von Leuten, die wir Empiriker, empirische Skeptiker, Macher nennen; sehr viel mehr Bezeichnungen gibt es nicht – wir haben nicht viele Namen für sie, weil sie nur wenige Bücher geschrieben haben. Viele ihrer schriftlichen Hinterlassenschaften wurden zerstört oder vor dem kulturellen Bewusstsein versteckt, oder sie sind auf natürliche Weise aus den Archiven verschwunden, und die Geschichtsschreibung hat die Erinnerung an sie äußerst stiefmütterlich behandelt. Formale Denker,
Weitere Kostenlose Bücher