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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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wiederhole: Prognosen verführen zu Risiken; sie sind für uns giftiger als jede andere Form von durch Menschen verursachten Verschmutzungen).
    Aus Fat Tonys Regeln können wir viele Sub-Heuristiken ableiten, vor allem um die Schwächen prognostischer Systeme aufzufangen. Vorhersagen – jede Form von Vorhersagen – ohne die Bereitschaft, für die Folgen dessen einzustehen, was man prognostiziert hat, können für andere so gefährlich sein wie ein unbemanntes Atomkraftwerk, auf dessen Grundstück der verantwortliche Ingenieur nicht selbst bereit ist zu übernachten. Piloten gehören ins Flugzeug.
    Die zweite Heuristik: Wir müssen Redundanz einbauen, einen Sicherheitspuffer, indem wir Optimierung vermeiden und Asymmetrien in unserer Risikoanfälligkeit abmildern, wenn nicht gar ganz entfernen.
    Im letzten Teil des Kapitels werde ich einige Syndrome beschreiben, natürlich nicht ohne die dazugehörigen altbewährten Heilmittel.
    Die Optionen der Schwätzer
    Ich habe zum Schluss von Buch I ausgeführt, dass Unternehmer und Menschen, die Risiken eingehen, ob sie gescheitert sind oder nicht, an die Spitze der Pyramide gehören, und fachsimpelnde Akademiker, Schwätzer und politisierende Politiker ganz nach unten. Fatalerweise verfährt die Gesellschaft derzeit genau umgekehrt: Man räumt den Schwätzern freie Optionen ein.
    Die Vorstellung, dass Fat Tony die Dummköpfe schröpfte, als sie zum Ausgang rannten, wirkte auf Nero zunächst recht ungehobelt. Vom Missgeschick anderer – wie schrecklich sie auch sein mögen – zu profitieren, zeugt nicht von ausgeprägter Höflichkeit. Aber für Fat Tony stand etwas auf dem Spiel, und es hätte ihm empfindlich geschadet, wenn die Dinge anders gelaufen wären. Ein Agency-Problem hatte Fat Tony nicht. Und deshalb ist sein Verhalten zulässig. Denn das eigentliche Problem sind ja die Leute, die nichts tun als reden, prognostizieren, theoretisieren.
    Spekulationsrisiken sind nicht nur zulässig, sondern geradezu obligatorisch. Keine Meinung ohne Risiko; aber natürlich auch kein Risiko ohne Hoffnung auf Gewinn. Wenn Fat Tony eine Meinung hatte, dann fühlte er sich aus moralischen Gründen gedrängt, auch ein dieser Meinung entsprechendes Risiko einzugehen. In Bensonhurst heißt es: Wenn Sie eine Meinung haben, dann verhalten Sie sich auch dementsprechend. Andernfalls kann auch von einer Meinung keine Rede sein. Dann sollte man Sie kenntlich machen als jemand, dem keine Nachteile aus seinem Standpunkt erwachsen können, und Ihnen einen eigenen Status in der Gesellschaft zuweisen, der vielleicht sogar unterhalb von dem des Durchschnittsbürgers liegt. Kommentatoren gebührt ein Status unterhalb von Durchschnittsbürgern. Denn immerhin sind es die Durchschnittsbürger, die mit den negativen Folgen ihrer Aussagen zurechtzukommen haben.
    Ausgehend von der Vorstellung, dass der Intellektuelle und der Kommentator als abseits stehendes, schützenswertes Mitglied der Gesellschaft angesehen wird, möchte ich hier im Gegensatz dazu festhalten, dass ich es in hohem Maße unmoralisch finde, zu reden ohne zu handeln, ohne auch mögliche Schäden in Kauf zu nehmen, ohne die eigene Haut aufs Spiel zu setzen; kurzum: ohne etwas zu riskieren. Sie bringen Ihre Meinung zum Ausdruck, die anderen, die sich darauf verlassen, schaden kann, aber Sie übernehmen dafür keine Verantwortung. Und das soll fair sein?
    Aber so sieht nun einmal das Informationszeitalter aus. Diesen Effekt der Verlagerung von Fragilität gab es vielleicht schon immer, allerdings ist er heute angesichts der Vernetztheit der Moderne und der neu entdeckten Unsichtbarkeit von Kausalketten weitaus stärker ausgeprägt. Der Intellektuelle ist heute sehr viel mächtiger und gefährlicher als je zuvor. Die »Wissensgesellschaft« führt (beim Individuum) zu einer Trennung von Wissen und Handeln und hat gesellschaftliche Fragilität zur Folge. Wie ist das zu erklären?
    Früher waren Privilegien mit Verpflichtungen verbunden – abgesehen nur von der kleinen Klasse der Intellektuellen, die einem bestimmten Herrn dienten oder in einigen Fällen auch dem Staat. War man Feudalherr, dann war man der Erste, der starb. Wollte man einen Krieg, dann war man der Erste, der in die Schlacht zog. In der US -Verfassung ist festgehalten, dass der Präsident zugleich auch der militärische Oberbefehlshaber ist. Caesar, Alexander und Hannibal waren bei den Schlachten ihrer Männer immer dabei – von Hannibal berichtet Livius, er sei als Erster auf

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