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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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wenn beispielsweise ein Friseur empfiehlt, sich die Haare schneiden zu lassen, weil es »gut für die Gesundheit« ist, oder ein Interessenvertreter der Waffenindustrie erklärt, der Besitz eines Gewehrs sei »gut für Amerika« – beide stellen Behauptungen auf, die letztlich ihnen persönlich nützen sollen, aber so klingen, als zielten sie auf das Allgemeinwohl. Mit anderen Worten, ist so jemand in Tabelle 7 links einzuordnen? In genau diesem Stil schrieb Alan Blinder, er wende sich gegen eine generalisierte Einlagensicherung nicht aus dem Grund, dass es seine eigenen Verdienstmöglichkeiten empfindlich einschränkt, sondern weil es abträglich sei für das öffentliche Wohl.
    Doch diese Heuristik lässt sich mit einer einfachen Frage leicht umsetzen. Ich war auf Zypern bei einem Konferenzessen, bei dem ein anderer Referent, ein zypriotischer Professor für Mineralöltechnik an einer amerikanischen Universität, gegen den Klimaaktivisten Lord Nicholas Stern polemisierte. Stern war ebenfalls Teilnehmer der Konferenz, allerdings beim Dinner nicht dabei. Der Zypriote legte sich schwer ins Zeug. Ich hatte keine Ahnung, worum es ging, stellte allerdings fest, dass er »die Abwesenheit von Beweisen« mit dem »Beweis für eine Abwesenheit« verwechselte, und ich setzte mich daraufhin vehement für Stern ein, den ich nie zuvor getroffen hatte. Der Mineralölexperte führte aus, es gebe keinen Beweis dafür, dass fossile Brennstoffe dem Planeten schaden, was er semantisch umdrehte zu der Aussage, wir könnten beweisen, dass fossile Brennstoffe unschädlich sind . Dann beging er den Fehler zu behaupten, Stern würde zu sinnlosen Versicherungen raten, woraufhin ich aufsprang und ihn fragte, ob er denn keine Auto- und Krankenversicherung und dergleichen hätte – Versicherungen gegen Ereignisse, die nicht eintreten, die Art von Argument. Ich versuchte ihm außerdem die Vorstellung nahezubringen, dass wir mit unserem Planeten etwas Neues machen und dass die Beweislast bei denen liegt, die die natürlichen Systeme durcheinanderbringen; dass Mutter Natur mehr weiß, als wir je wissen werden, und nicht andersherum und so weiter, Sie kennen den Grundtenor ja bereits aus diesem Buch. Aber es war, als argumentierte man gegen einen Strafverteidiger – als Antwort kamen nichts als Spitzfindigkeiten ohne jeglichen Wahrheitsbezug.
    Dann fiel mir eine Heuristik ein. Ich fragte den Moderator, der neben mir saß, ob der Typ irgendwie davon profitierte, wenn er recht behielt, und es stellte sich heraus, dass er – als Berater, als Investor, als Gutachter – eng mit diversen Ölgesellschaften verflochten war. Ich verlor auf der Stelle jegliches Interesse an dem, was er zu sagen hatte; mit einer solchen Person öffentlich zu diskutieren ist reine Energieverschwendung – seine Worte waren belanglos, nichts als heiße Luft.
    Diese Episode passt gut zu dem Postulat, seine Haut aufs Spiel zu setzen. Wenn jemand eine Meinung hat wie beispielsweise, dass das Bankensystem fragil ist und wahrscheinlich zusammenbrechen wird, dann verlange ich von ihm, dass er selbst in dieses System investiert hat, dass er also genau dieselben negativen Konsequenzen tragen muss wie diejenigen, die sich seiner Meinung anschließen – als Beweis dafür, dass er nicht nur ein leerer Anzug ist. Wenn allerdings generelle Aussagen über das Allgemeinwohl gemacht werden, dann wäre stattdessen die Enthaltung von persönlichem Einsatz angebracht. Via Negativa.
    Ich habe den Mechanismus moralischer Optionalität vorgestellt, bei dem Menschen ihre Überzeugungen ihren Handlungen anpassen, anstatt ihre Handlungen an ihren Überzeugungen auszurichten . Tabelle 8 vergleicht Berufe unter dem Gesichtspunkt solcher moralischer Nachjustierungen.
Tabelle 8 – Vergleich von Berufen und Aktivitäten
Opportunist (Anpassung der Moral an den Beruf)
Geschützt vor dem pseudomoralischen Spiel
Goldgräber
Prostituierte
Networker
Sozial engagierte Menschen
Geht Kompromisse ein
Geht keine Kompromisse ein
Jemand, der »bereit ist zu helfen«
Gelehrter, Dilettant, Amateur
Kaufmann, Mensch mit festem Beruf (Antike)
Landbesitzer (Antike)
Angestellter
Handwerker
Akademiker an einer Forschungsuniversität, Forscher, der von »Zuschüssen« abhängig ist
Brillenglashersteller,
    Lehrer für Philosophie an einem College oder Lycée
    Unabhängiger Gelehrter
    Es gibt eine umgekehrte Form des Alan-Blinder-Problems, die »gegen die eigenen Interessen gerichtete Evidenz«. Man sollte Dokumenten und

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