Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
Vom Netzwerk:
Meinungen mehr Glauben schenken, die das Gegenteil eines Interessenkonflikts zum Ausdruck bringen. Ein Apotheker oder ein Pharmavertreter, der zur Heilung von Diabetes Fasten und andere Via-Negativa- Methoden empfiehlt, sollte glaubwürdiger sein als der, der die Zufuhr von Medikamenten propagiert.
    Große Datenmengen und die Option des Forschers
    Der folgende Abschnitt geht stärker auf fachspezifische Details ein, er kann ohne Weiteres übersprungen werden. Man trifft überall auf Optionalität, und an dieser Stelle möchte ich auf eine Variante des Rosinenpickens zu sprechen kommen, die den Geist der Forschung insgesamt zersetzt und Datenüberfluss zu einem Faktor macht, welcher für das Wissen extrem schädlich ist. Ein Mehr an Daten mag vielleicht ein Mehr an Information bedeuten, aber es bedeutet auch ein Mehr an falscher Information. Wir stellen fest, dass immer weniger Arbeiten nachgedruckt werden – Fachbücher beispielsweise in Psychologie müssen überarbeitet werden. Was die Wirtschaftswissenschaften angeht: Die können Sie ganz vergessen. Vielen statistisch orientierten Wissenschaften ist kaum über den Weg zu trauen – vor allem wenn ein Forscher unter dem Druck steht, zu publizieren, um seine Karriere voranzubringen. Der Anspruch wird dennoch lauten, »den Wissensstand zu steigern«.
    Man erinnere sich an die Vorstellung der Epiphänomene als ein Unterscheidungskriterium zwischen der Realität und Bibliotheken. Ein Beobachter, der sich historische Entwicklungen vom Blickwinkel einer Bibliothek aus vornimmt, wird selbstverständlich deutlich mehr zufällige, falsche Beziehungen sehen als derjenige, der mit dabei ist, wenn sich die Dinge in den für die Realität üblichen Abfolgen entwickeln. Ersterer wird in die Irre geführt von der Zunahme der Epiphänomene; eines davon ist das unmittelbare Resultat des Übermaßes an Daten im Verhältnis zu den echten Signalen.
    Ich habe im siebten Kapitel über die Entstehung von Rauschen gesprochen. Hier haben wir es mit einem schwerwiegenden Problem zu tun, da eine Optionalität auf Seiten des Forschers vorliegt, die sich von der des Bankers nicht unterscheidet. Der Nutzen fällt dem Forscher zu, die Wahrheit hat das Nachsehen. Die freie Option des Forschers besteht darin, sich all das herauspicken zu können, was ihm die Statistik an bestätigenden Daten zur Verfügung stellt oder womit sich ein gutes Resultat erzielen lässt, und den Rest einfach zu ignorieren. Er hat die Option , seine Untersuchungen in dem Moment zu beenden, in dem er das passende Resultat erzielt. Und außerdem kann er statistische Zusammenhänge aufzeigen – Störendes steigt an die Oberfläche. Daten haben eine bestimmte Eigenschaft: Bei großen Datenbeständen sind große Abweichungen sehr viel eher auf Geräusch (oder Varianz) zurückzuführen als auf Information (oder Signal). 94

    Abbildung 18. Das Drama der großen Datenmengen. Je mehr Variablen, desto mehr Korrelationen, die in der Hand eines »geschickten« Forschers bedeutsam werden können. Irrtümer wachsen schneller an als Information; sie sind im Verhältnis zu Daten nichtlinear (konvex).
    Es gibt einen Unterschied in der Medizinforschung zwischen a) Beobachtungsstudien, in denen der Forscher statistische Beziehungen an seinem Computer analysiert, und b) den Doppel-Blind-Versuchen, in denen Informationen auf eine Art und Weise gewonnen werden, die das reale Leben nachahmt.
    Erstere, also die am Computer erstellten Beobachtungen, produzieren alle möglichen Resultate, die – zumindest nach Berechnungen von John Ioannidis – mehr als achtmal in zehn Fällen falsch sind –, aber es sind diese Beobachtungsstudien, die in Zeitungen abgedruckt werden und in manchen wissenschaftlichen Zeitschriften. Man kann noch froh sein, dass derartige Beobachtungsstudien von der Food and Drug Administration nicht anerkannt werden; die hier tätigen Wissenschaftler kennen die Problematik. Der großartige Stan Young, der sich vehement gegen Statistiken mit Scheinkorrelationen einsetzt, und ich, wir stießen auf eine Genetikstudie im New England Journal of Medicine , die aus statistischen Daten irgendwelche Aussagen ableitete, wobei unserer Meinung nach die Ergebnisse rein zufällig waren. Wir schrieben an die Zeitschrift – ohne Erfolg.
    Abbildung 18 zeigt die wachsende Anzahl potentieller Scheinkorrelationen. Die Idee ist die folgende: Wenn ich einen Bestand von zweihundert zufälligen Variablen habe, die miteinander absolut nichts zu tun

Weitere Kostenlose Bücher