Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Informationen, während andere, ihre Opfer, den Preis zahlten.
Ein Loser ist für mich jemand, der, nachdem er einen Fehler gemacht hat, nicht in sich geht, daraus lernt und dankbar ist für die neue Information, sondern sich vielmehr peinlich berührt und in der Defensive fühlt und zu erklären versucht, warum er diesen Fehler gemacht hat, anstatt den nächsten Schritt zu tun. Diese Art Mensch sieht sich gern als »Opfer« irgendeiner groß angelegten Verschwörung, eines bösen Chefs oder der schlechten Wetterlage.
Ein Gedanke zum Abschluss: Wer nie gesündigt hat, ist weniger verlässlich als der, der einmal gesündigt hat. Und jemand, dem viele Irrtümer – aber nie derselbe zweimal – unterlaufen sind, ist verlässlicher als jemand, der sich noch nie geirrt hat.
Warum das Aggregat das Individuum hasst
Wie wir gesehen haben, funktioniert Antifragilität in der Biologie aufgrund von Schichten. Die Rivalität zwischen Suborganismen bringt die Evolution voran: In unserem Körper rivalisieren Zellen; innerhalb der Zellen rivalisieren Proteine und so weiter. Lassen Sie uns diesen Punkt auf das menschliche Verhalten übertragen. Die Wirtschaft ist ähnlich geschichtet: Individuen, Handwerksbetriebe, kleine Firmen, Abteilungen innerhalb von Unternehmen, Unternehmen, Industrien, die regionale Wirtschaft und schließlich an der Spitze die Gesamtwirtschaft – man könnte die Schnitte auch enger legen und käme auf entsprechend mehr Schichten.
Damit die Wirtschaft antifragil sein, damit hier Evolution stattfinden kann, muss jedes einzelne individuelle Unternehmen notwendigerweise fragil sein, vom Scheitern bedroht. Die Evolution hängt, damit Verbesserungen sich durchsetzen können, davon ab, dass Organismen (oder ihre Gene) sterben, wenn sie von anderen verdrängt werden, oder dass ihre Fortpflanzung verhindert wird, wenn sie weniger fit sind als andere. Entsprechend setzt Antifragilität auf einer höheren Ebene Fragilität – und das Opfer – auf einer niedrigeren Ebene voraus. Jedes Mal, wenn Sie sich mit einer Kaffeemaschine Ihren Morgencappuccino zubereiten, profitieren Sie vom Scheitern – von der Fragilität – desjenigen Kaffeemaschinenherstellers, der sich nicht durchsetzen konnte. Er scheiterte, damit es der bessere Artikel in Ihre Küche schaffte.
Oder denken Sie an traditionelle Gesellschaften. Auch dort stoßen wir auf diese Schichtenstruktur: Individuen, Kernfamilien, Großfamilien, Stämme, Menschen, die denselben Dialekt sprechen, Ethnien, Gruppen.
Nun ist das Opfern als Verhaltensweise vielleicht bei Ameisenkolonien eine Selbstverständlichkeit, doch ich bin mir sicher, dass der einzelne Geschäftsmann nicht übermäßig daran interessiert ist, für das größere Wohl der Gesamtwirtschaft Harakiri zu begehen; deshalb ist er selbstverständlich darum bemüht, Antifragilität oder zumindest ein gewisses Ausmaß an Robustheit für sich selbst zu suchen. Das aber ist nicht unbedingt vereinbar mit dem Interesse der Gesamtheit, der Wirtschaft als Ganzes. Wir haben hier also das Problem, dass eine Eigenschaft der Summe (des Aggregats) sich unterscheidet von derjenigen jedes einzelnen ihrer Teile – faktisch zielt das Aggregat darauf, die Teile zu schädigen.
Es ist kein schöner Gedanke, dass Rücksichtslosigkeit ein Antriebsmotor für Verbesserungen ist.
Und wie sieht die Lösung aus? Leider gibt es keine Lösung, die alle zufriedenstellen könnte – allerdings doch immerhin Methoden, wie man die Schädigung der sehr Schwachen abmildern kann.
Das Problem ist gravierender, als es zunächst den Anschein hat. Die Leute besuchen die Business School, um zu lernen, wie sie gut abschneiden und ihr Überleben sichern können – was aber die Wirtschaft als Ganzes braucht, ist, dass diese Leute gerade nicht überleben, sondern eine Menge unkluger Risiken auf sich nehmen und vernünftige Warnungen in den Wind schlagen. Denn der Industriezweig, zu dem sie gehören, wird mit jedem Konkurs eines Einzelunternehmens besser. Die Natur und naturähnliche Systeme brauchen auf der Seite der individuellen ökonomischen Vertreter ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung, die Überschätzung der eigenen Erfolgsaussichten und die Verkennung der Konkursrisiken in ihren jeweiligen Geschäftsbereichen – vorausgesetzt, ihr Scheitern hat keine Auswirkungen auf andere. Es geht also um Selbstüberschätzung auf lokaler, nicht auf globaler Ebene.
Wir haben gesehen, dass das Restaurantgewerbe genau aus dem Grund so
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