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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Vertretern der Staatsgewalt anderen Mitgliedern der Gruppe Schaden zufügt. Die Sippe (Cosa Nostra) steht über dem Individuum. Was der Mafia das Genick brach, war die Bereitschaft einer neuen Generation von Mitgliedern, sich als Kronzeugen zur Verfügung zu stellen. (Es bleibt festzuhalten, dass sich die »Ehre« der Mafia auf die Solidarität innerhalb der Gruppe beschränkt – ansonsten wird gelogen, und überhaupt gibt es in jeder anderen Hinsicht an ihrem Verhalten nichts, was Achtung verdiente. Und sie tötet Menschen von hinten, ein Akt, der im östlichen Mittelmeerraum als äußerste Form von Feigheit gilt.)
    Womöglich müssen wir Menschen, wo es unser Überleben sichert, uns ganz ähnlich selbstbezogen auf Kosten anderer Arten verhalten, indem wir beispielsweise das ökologische Gleichgewicht fragilisieren. Unsere Interessen – als Gattung Mensch – haben einen höheren Stellenwert als die Interessen der Natur, und wir nehmen ein gewisses Maß an Ineffizienz, an Fragilität hin, um Individuen zu schützen, obwohl wir, wenn wir zu viel von der Natur opfern, irgendwann uns selbst verletzen.
    Zwischen dem Kollektiv und dem Einzelnen findet also eine Interessenabwägung statt. Eine Volkswirtschaft kann nicht überleben, ohne dass einzelne Individuen darunter zu leiden hätten; Schutzmaßnahmen sind schädlich, und offenbar ist es nicht erwünscht, zum Wohle von Individuen die Evolutionsdynamik einzuschränken. Aber es steht in unserer Macht, die Individuen vor dem Hungertod zu bewahren, sie in gewissem Umfang sozial in Schutz zu nehmen. Und wir können ihnen Respekt erweisen. Oder – womit ich zum nächsten Punkt komme – auch noch etwas mehr tun.
    Nationaler Unternehmer-Gedenktag
    Als Utopist (doch, wirklich) widerstrebt mir zwar, was ich hier ausführe, doch habe ich den Eindruck, dass es auch Grund zur Hoffnung gibt.
    Heroismus und der Respekt, den er verlangt, ist eine Art Ausgleich der Gesellschaft für Menschen, die sich für andere in Gefahr begeben. Und Unternehmertum ist eine riskante, heroische Aktivität, die für das Wachstum, ja für das schiere Überleben der Wirtschaft unabdingbar ist.
    Es dient zudem aus epistemologischen Gründen notwendigerweise der Gemeinschaft. Jemand, der etwas nicht herausfindet, versorgt andere mit Wissen, eigentlich dem besten Wissen, nämlich dem einer Abwesenheit (bezüglich dessen, was nicht funktioniert) – doch das dankt ihm (fast) keiner. Eine solche Person spielt in dem Prozess, bei dem die produktiven Impulse auf die anderen übergehen, eine zentrale Rolle – und sie bekommt dafür, schlimmer noch, nicht einmal Anerkennung. 20
    Ich verhalte mich undankbar gegenüber dem Mann, dessen Selbstüberschätzung ihn dazu veranlasste, ein Restaurant zu eröffnen, und der damit keinen Erfolg hatte – ich genieße ein köstliches Menü, während er wahrscheinlich Dosenthunfisch isst.
    Um des Fortschritts willen sollte die moderne Gesellschaft gescheiterte Unternehmen so behandeln, wie wir tote Soldaten ehrten, vielleicht nicht mit ganz so viel Ehre, aber doch ausgehend von derselben Logik (der Unternehmer musste nicht sterben, allerdings fristet er möglicherweise sein Dasein als moralisch gebrochene und sozial stigmatisierte Person, vor allem wenn er in Japan lebt). Denn es gibt nichts, das sich mit einem gescheiterten Soldaten vergleichen lässt, sei er nun tot oder lebendig (vorausgesetzt natürlich, er verhielt sich nicht feige) – ähnlich wie es nichts gibt, das sich mit einem gescheiterten Unternehmer oder einem gescheiterten Forscher vergleichen lässt – jedenfalls steht seinesgleichen turmhoch über einem erfolgreichen Schwätzer, Philosophaster, Kommentator, Berater, Lobbyisten oder Wirtschaftswissenschaftler, der keine persönlichen Risiken auf sich nimmt. (Sorry.)
    Psychologen bezeichnen »Selbstüberschätzung« als Krankheit, die die Menschen blind dafür macht, Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen, wenn sie sich auf irgendwelche gewagten Projekte einlassen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen der gutartigen, heroischen Variation der Risikobereitschaft, die für andere nützlich ist (im antifragilen Fall), und der üblen, modernen Art, die mit negativen Schwarzen Schwänen zusammenhängt, wie etwa die Selbstüberschätzung von »Wissenschaftlern«, die die Schadenswahrscheinlichkeiten des Reaktors von Fukushima berechneten. Die Selbstüberschätzung im ersten Fall ist positiv und kein Symptom, das medikamentös behandelt werden

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