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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Fehler, nicht um generelle, gravierende und tödliche. Damit lässt sich eine Trennung zwischen guten und schlechten Systemen begründen. Gute Systeme wie Fluggesellschaften verkraften kleine, voneinander unabhängige Irrtümer – beziehungsweise Irrtümer, die effektiv negativ miteinander korrelieren, da begangene Fehler die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Fehler reduzieren. Das ist eine Möglichkeit, eine antifragile Umgebung wie die Luftfahrt von einer fragilen Umgebung (dem modernen Wirtschaftsleben mit seiner Vernetztheit à la »Die Erde ist ein Dorf«) zu unterscheiden.
    Jeder Flugzeugabsturz verringert die Wahrscheinlichkeit des nächsten Flugzeugabsturzes, wohingegen jeder Bankenzusammenbruch die Wahrscheinlichkeit des nächsten Bankenzusammenbruchs erhöht. Wir müssen die zweite Irrtumsvariante – diejenige, die sich durch Ansteckung verbreitet – aus unserer Konstruktion eines idealen sozio-ökonomischen Systems entfernen. Werfen wir noch einen Blick auf Mutter Natur.
    Das Natürliche hat sich in einem Prozess aufgebaut, in dem ein nicht-systemischer Fehler auf den nächsten folgte: Wenn ich ein gutes Gleichgewichtsgefühl habe, übersetzen sich meine Irrtümer beim Gewichtheben in kleine Verletzungen, die mir beim nächsten Training, indem ich Schmerz zu vermeiden suche, die Bewegungsrichtung vorgeben – darin liegt ja letztlich der Sinn von Schmerz. Leoparden, die sich wie eine Symphonie der Natur bewegen, werden nicht von einem Personal Trainer angeleitet, wie ein Tier auf »korrekte Weise« auf einen Baum kommt. Menschliche Ratschläge mögen nützlich sein bei künstlichen Sportarten wie Tennis, Bowling oder Schießen, nicht aber bei natürlichen Bewegungen.
    Manche Berufszweige lieben Fehler. Rückversicherungsgesellschaften, deren Hauptgeschäft darin besteht, Katastrophenrisiken zu versichern (und deren Kunden Versicherungsgesellschaften sind, die bei solchen Gesellschaften nicht streuungsfähige Risiken »rückversichern«), schaffen es, sich nach einer Katastrophe oder einem Extremereignis (einem »tail event«), bei dem sie einen großen Verlust hinnehmen mussten, schnell wieder zu erholen. Wenn sie weiter im Geschäft sind und »ihr Pulver trocken ist« (nur wenige haben Pläne für derartige Extremfälle), dann gleichen sie den Ausfall dadurch aus, dass sie ihre Prämien disproportional stark erhöhen – die Kunden reagieren über und bezahlen den höheren Versicherungsbeitrag anstandslos. Sie geben an, keine Vorstellung von einem fairen Gegenwert, das heißt angemessener Preisgestaltung für eine Rückversicherung, zu haben, aber sie wissen mit Sicherheit, dass der Preis in schwierigen Zeiten überzogen ist, was es ihnen ermöglicht, auf lange Sicht sattsam Geld zu scheffeln. Alles, was sie tun müssen, ist, ihre Fehler so klein zu halten, dass sie sie überleben können.
    Wie man Mutter Teresa wird
    Variabilität verursacht Fehler und Anpassungen; zudem lässt sich mit ihrer Hilfe herausfinden, wer die wahren Freunde sind. Sowohl Ihre Fehlschläge als auch Ihre Erfolge liefern Ihnen Informationen. Aber, und das ist eine der guten Seiten des Lebens, manchmal lernen Sie den Charakter eines Mitmenschen erst kennen, wenn Sie ihn durch ein Fehlverhalten verletzt haben, für das Sie ganz allein verantwortlich sind – ich war erstaunt, mit welcher Großzügigkeit mir manche Personen meine Fehler vergaben.
    Und natürlich kann man aus den Irrtümern der anderen lernen. Man kann nie etwas über den Charakter von jemandem wissen, bevor er nicht die Möglichkeit hatte, moralische Regeln zu verletzen. Ich erinnere mich an eine Klassenkameradin, ein Mädchen in der High School, die einen netten, aufrichtigen Eindruck machte und zu der Gruppe jugendlicher antimaterialistischer Utopisten gehörte, bei der ich auch mitmachte. Später erfuhr ich, dass ganz gegen meine Erwartungen (und ihr unschuldiges Aussehen) keine Mutter Teresa oder Rosa Luxemburg aus ihr geworden war. Vielmehr gab sie ihrem ersten (reichen) Ehemann den Laufpass wegen eines anderen, reicheren Mannes, den sie bei den ersten Andeutungen von finanziellen Schwierigkeiten ebenfalls verließ und sich einen weiteren, noch reicheren, mächtigeren (und großzügigen) Liebhaber zulegte. In einem stabilen Umfeld hätte ich sie fälschlich für eine Utopistin und Heilige gehalten (und ihr selbst wäre es wohl nicht anders gegangen). Einige Mitglieder der Gesellschaft – diejenigen, die sie nicht heirateten – erhielten wertvolle

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