Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Physiker »Perkolationstheorie« nennen, in der die Eigenschaften der Zufälligkeit eines Bereichs studiert werden und nicht ein einzelnes Element des Bereichs.
Mark Abdollahian von der Sentia Group, einer der Firmen, die die US -Regierung mit Vorhersageanalysen beliefern (und von denen fatalerweise keine Warnung kam), meinte im Hinblick auf Ägypten, Politiker müssten sich das »so ähnlich wie Las Vegas« vorstellen. »Wenn Sie beim Blackjack vier Prozent besser abschneiden als der Durchschnitt, dann können Sie richtig absahnen.« Allerdings ist das lediglich eine Scheinanalogie, und sie drückt eine Grundhaltung aus, der ich nur mit allem Nachdruck widersprechen kann. Es gibt im Fall von Ägypten keine »vier Prozent besser«. Hier wurde nicht nur Geld verschwendet, sondern unangebrachtes Vertrauen aufgebaut, das auf einer Fehlinterpretation basierte. Es ist bezeichnend, dass Analysten des Geheimdiensts denselben Fehler begingen wie die Risikomanagementsysteme, die die Wirtschaftskrise nicht kommen sahen – und dass sie für ihr Scheitern genau dieselben Ausflüchte vorbrachten. Politische und wirtschaftliche Extremereignisse sind nicht vorhersagbar, und ihre Wahrscheinlichkeiten sind wissenschaftlich nicht erfassbar. Es spielt überhaupt keine Rolle, wieviel Geld in die Forschung fließt – die Vorhersage von Revolutionen ist etwas ganz anderes als das Zählen von Karten; Menschen werden nie dazu in der Lage sein, Politik und Wirtschaft in die überschaubare Zufälligkeit von Blackjack zu verwandeln.
30 Psychologen kennen das Gegenteil von Interventionismus, sie bezeichnen es als den Status-quo-Bias , die Voreingenommenheit zugunsten des Bestehenden. Offen sichtlich können aber beide – Interventionismus und Prokrastination – nebeneinander bestehen, einerseits im Beruf (wo man gezwungen ist, etwas zu tun) und andererseits im Privatleben (wo das Gegenteil der Fall sein kann). Es handelt sich um ein kontextabhängiges Phänomen, also letztlich um ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Problem, das mit Normen und Anreizen zusammenhängt (auch wenn die Ärzte, die die Kinder auf entzündete Mandeln untersuchten, keinen direkten Anreiz hatten), und weniger um eine geistig-seelische Eigenschaft.
31 Ein ebenfalls Bücher schreibender Freund meinte einmal, Maler würden den Akt des Malens genießen, während Autoren es eher genießen, »geschrieben zu haben «. Ich empfahl ihm, zu seinem eigenen Besten und dem seiner Leser, das Schreiben doch lieber sein zu lassen.
32 Eine weitere Entdeckung: die Kontrolle der Sprache, also des organischsten, unordentlichsten Bereichs, den es überhaupt gibt. Frankreich hat mit der Institution der Académie française einen offiziellen Stempel für das, was als korrektes Französisch gelten darf und was nicht, welche Wendungen also von einem Schüler in einem Aufsatz benutzt werden dürfen oder im Brief an den Bürgermeister, in dem man sich über die Einsatzzeiten der lärmintensiven Müllabfuhr beschwert. Das Resultat ist klar erkennbar: ein im Vergleich mit dem Englischen gewundenes, kompliziertes, formal enges Vokabular – und das verbreitete gesprochene Französisch, das als »Slang« abqualifiziert wird, obwohl es genauso reich ist wie das Englische; es gibt sogar Schriftsteller wie Céline oder Dard, die ein Parallelvokabular benutzen, in dem sich auf einzigartige Weise die Hochsprache mit der Umgangssprache, einem herrlich präzisen und reichen Slang, mischt.
Kapitel 8
Prognostik als typisches
Phänomen der Moderne
Man sollte nie auf Französisch brüllen – Ms. Bré verdient Respekt – Der Bereich des Schwarzen Schwans
Im Herbst 2009 hielt ich mich mit einigen Fachleuten (in Anzug und Krawatte) in Korea auf. In einem Team befand sich ein gewisser Takatoshi Kato, damals stellvertretender Geschäftsführer einer mächtigen internationalen Institution. Bevor die Diskussion begann, stellte er uns in einer schnellen PowerPoint-Präsentation die Wirtschaftsprognosen seiner Abteilung für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 vor.
Es war in den Tagen, bevor ich beschloss, auf den Berg zu steigen, langsam und salbungsvoll zu sprechen und den Versuch zu unternehmen, die Menschen lieber zu umgarnen als zu beschimpfen. Während ich Katos Vortrag zuhörte, verlor ich plötzlich die Kontrolle und bekam vor zweitausend Koreanern einen Wutanfall – ich war derart zornig, dass ich fast auf Französisch angefangen hätte zu brüllen, weil mir für einen Moment sogar
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