Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Schwäne sowohl unvorhersehbar als auch folgenreich sind, und solchen, in denen seltene Ereignisse nicht weiter ins Gewicht fallen, weil sie entweder vorhersagbar oder folgenlos sind.
Im Prolog habe ich erwähnt, dass die Zufälligkeit im Bereich der Schwarzen Schwäne nicht handhabbar ist. Und ich werde das wiederholen, bis mir die Stimme versagt. Die Grenze ist mathematischer Natur, Punkt, und daran führt auf diesem Planeten kein Weg vorbei. Was nicht messbar und nicht vorhersagbar ist, wird nicht messbar und nicht vorhersagbar bleiben; da spielt es keine Rolle, wie viele promovierte Spezialisten mit russischen und indischen Namen man mit diesen Fragen betraut – und es ist auch völlig egal, wie viele Hassmails ich bekomme. In der Zone des Schwarzen Schwans gibt es eine Grenze des Wissens, die nicht erreicht werden kann, ganz gleich wie ausgefuchst die Statistik- und Risikomanagementmethoden je sein werden.
Mir geht es weniger darum, die Unmöglichkeit darzustellen, jemals etwas über diese Dinge zu wissen – dieses zentrale Problem des Skeptizismus wurde von einer langen Reihe von Philosophen formuliert, darunter Sextus Empiricus, al-Ghazali, Hume und viele andere –, als sie zu formalisieren und zu modernisieren als Hintergrund und Fußnote zu meinem Anti-Truthahn-Argument. Ich möchte mit diesem Buch vielmehr zeigen, wo Skepsis angebracht ist und wo nicht. Mit anderen Worten, ich konzentriere mich auf die Frage, wie man aus diesem verdammten Vierten Quadranten herauskommt – als »Vierten Quadranten« bezeichne ich den Bereich des Schwarzen Schwans, wo man in hohem Maß seltenen »Tail«-Ereignissen ausgesetzt ist und diese Ereignisse unberechenbar sind. *
Was nun aber unter den Bedingungen der Moderne noch schlimmer ist: Der Anteil von Extremistan wächst. Das Phänomen, dass der Gewinner alles bekommt, wird immer offensichtlicher: Der Erfolg eines einzigen Autors, einer Firma, einer Idee, eines Musikers, eines Athleten ist entweder global oder nicht existent. Die Vorhersehbarkeit wird immer geringer, denn mittlerweile wird so ziemlich alles in Gesellschaft und Wirtschaft von Schwarzen Schwänen dominiert. Unsere ausgeklügelten Methoden schieben uns ständig an einen Platz, der vor uns liegt, und lassen Dinge entstehen, die wir immer weniger verstehen können.
Schluss mit den Schwarzen Schwänen
Mittlerweile, in den letzten paar Jahren, hat die Welt als Reaktion auf die Idee des Schwarzen Schwans einen anderen Weg eingeschlagen. Opportunisten sagen nun Schwarze Schwäne mit immer noch komplizierteren Modellen aus der Chaos-Komplexitäts-Katastrophen-Fraktal-Theorie voraus. Dabei ist die Antwort doch so einfach: Weniger ist mehr ; das Thema muss (Anti-)Fragilität heißen. 35
33 Aufgrund meiner Erfahrungen im Libanonkrieg und bei mehreren Stürmen mit Stromausfall in Westchester County, New York, empfehle ich vor allem die Einlagerung von Romanen; man unterschätzt, wie langweilig mehrere Stunden des Wartens darauf sind, dass die Lage sich wieder entspannt. Und Bücher – robust! – sind immun gegen Stromausfall.
34 Eine verwandte Idee ist im (möglicherweise apokryphen) Statement des Finanzmanns Warren Buffett formuliert: Er investiere, wenn irgend möglich, nur in Betriebe, die »so fantastisch sind, dass eine Idiot sie leiten kann. Denn früher oder später wird dieser Fall eintreten.«
35 Dazu eine fachspezifische Anmerkung (die man überspringen kann): Was hat es mit den Quadranten auf sich? Kombiniert man das Maß des Ausgesetztseins mit den Arten von Zufälligkeit, erhält man vier Kombinationen: Zufälligkeit in Mediokristan, man ist Extremereignissen in geringem Maß ausgesetzt (Erster Quadrant); Zufälligkeit in Mediokristan, man ist Extremereignissen in hohem Maß ausgesetzt (Zweiter Quadrant); Zufälligkeit in Extremistan, man ist Extremereignissen in geringem Maß ausgesetzt (Dritter Quadrant); Zufälligkeit in Extremistan, man ist Extremereignissen in hohem Maß ausgesetzt (Vierter Quadrant). In den ersten drei Quadranten führen Wissen oder fehlendes Wissen nicht zu folgenschweren Irrtümern. Eine Veränderung des Zustands des Ausgesetztseins, eine Art »Robustifizierung«, kann einen Wechsel vom Vierten in den Dritten Quadranten ermöglichen.
Buch III
Eine prognosefreie Sicht der Welt
Willkommen, Leser, zur prognosefreien Sicht der Welt.
Das zehnte Kapitel stellt Senecas Stoizismus als Ausgangspunkt für das Verständnis von Antifragilität vor, mit Anwendungsbeispielen aus
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