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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Verantwortlichen dort für notwendig erachtet werden, um auf die örtliche Nachfrage nach Arbeitnehmern zu reagieren. Die Wirtschaftseliten haben einen größeren Handlungsspielraum als in den meisten anderen Demokratien – ein Umstand, der weit entfernt ist von einem Dirigismus des Staates, den man von außen vermuten würde.
    Außerdem – ein typischer Fall eines nützlichen Effekts ungeordneter Verhältnisse – setzte in Schweden und anderen skandinavischen Ländern beim Ende des Kalten Krieges um 1990 herum eine ernsthafte Rezession ein, auf die man hier auf bewundernswerte Weise mit einer Politik steuerlicher Strenge reagierte und sich so schlussendlich gegen die heftige Finanzkrise wappnete, die rund zwei Jahrzehnte später eintrat.
    Die Verwechslung von Auslöser und Ursache
    Wenn eingeschränkte Systeme, die nach natürlicher Unordnung lechzen, zusammenbrechen, was früher oder später passieren muss, da sie fragil sind, wird das Versagen nie als Folge von Fragilität gesehen. Stattdessen schiebt man es auf die mangelnde Qualität der Prognosen. Man starrt bei einem Sandhaufen, der sich auflöst, nicht auf einzelne Körner, und ebenso töricht wäre es, den Zusammenbruch einer wackligen Brücke auf den letzten LKW zu schieben, der sie benutzte; noch törichter wäre es, vorhersagen zu wollen, welcher LKW sie zum Einsturz bringt. Und trotzdem wird nur zu oft so verfahren.
    Im Jahr 2011 machte Präsident Barack Obama den Geheimdienst dafür verantwortlich, dass die Regierung die Revolution in Ägypten nicht kommen sah, die im Frühling desselben Jahres ausbrach (schon der ehemalige Präsident Jimmy Carter hatte den Geheimdienst dafür verantwortlich gemacht, dass seine Regierung die islamische Revolution des Jahres 1979 im Iran nicht hatte kommen sehen). Dabei wurde völlig ignoriert, dass der wahre Auslöser das unterdrückte Risiko an den statistischen »Tails« ist, nicht der Umstand, dass man das letzte Körnchen Sand nicht gesehen hat. Eine Analogie in der Wirtschaft: Nach dem Beginn der Finanzkrise in den Jahren 2007/2008 dachten viele, es hätte etwas genützt, wenn der Zusammenbruch des Hypothekensystems prognostiziert worden wäre (der nach weit verbreiteter Auffassung die Krise angestoßen hatte). Um Baals willen – das hätte gar nichts gebracht, denn dabei handelte es sich um ein Symptom der Krise, nicht um den Grund. Dasselbe gilt für die Aufstände in Ägypten: Obama machte die »schlechte Arbeit der Sicherheitsdienste« dafür verantwortlich, dass es der Regierung nicht gelungen war, diese Ereignisse vorherzusagen. Das ist symptomatisch: einerseits für das fehlende Verständnis komplexer Systeme, andererseits für die daraus resultierenden unzulänglichen Strategien. Großmächte sind in dieser Hinsicht schlicht und einfach Truthähne.
    Obamas Fehleinschätzung ist ein Beispiel für die Illusion lokaler Kausalketten – für die Verwechslung von Auslösern mit Gründen und der Annahme, es sei möglich zu wissen, welcher Auslöser welchen Effekt zur Folge hat. Die letzte Episode des Umbruchs in Ägypten war für sämtliche Beobachter nicht vorhersehbar, vor allem für diejenigen, die unmittelbar involviert waren. Daher ist es nicht nur unklug, der CIA oder anderen Geheimdiensten die Schuld daran zu geben, sondern es ist ebenso unklug, diese Institutionen zu finanzieren, damit sie derartige Ereignisse vorhersehen. Regierungen verschwenden Milliarden von Dollar für den Versuch, Ereignisse vorherzusagen, die von interdependenten Systemen produziert werden und daher auf individueller Ebene statistisch vollkommen unverständlich sind.
    Die meisten Erklärungen, die für vergleichbare Situationen politischer Unruhen angeboten werden, folgen dieser Verwechslung von Auslöser und Ursache. Man denke nur an den »Arabischen Frühling« 2011. Die Aufstände in Tunesien und Ägypten wurden anfänglich steigenden Rohstoffpreisen zugeschrieben, nicht den erdrückenden, vom Volk abgelehnten diktatorischen Regierungen. Bahrain und Libyen aber waren wohlhabende Länder, die es sich leisten konnten, Weizen und andere Rohstoffe zu importieren. Außerdem waren die Rohstoffpreise wenige Jahre zuvor um einiges höher gewesen, ohne dass es zu irgendwelchen Unruhen gekommen wäre. Auch hier wird das Augenmerk auf die falsche Stelle gelenkt, auch wenn sich daraus eine beruhigende Logik ableiten lässt. Analysiert werden müssen das System und seine Fragilität, keine Einzelereignisse – es geht um das, was die

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