Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
entfallen war, dass ich mich in Korea befand. Ich stürmte auf das Podium und forderte die Zuhörer auf, das nächste Mal, wenn ihnen jemand in Anzug und Krawatte Prognosen auf zukünftige Daten lieferte, ihn aufzufordern, ihnen seine früheren Prognosen zu zeigen – in diesem Fall, was für die Jahre 2008 und 2009 (die Krisenjahre) zwei bis fünf Jahre davor, also 2004, 2005, 2006 und 2007, vorhergesagt worden war. Dann würden sie feststellen können, dass der Sehr Ehrwürdige Kato-san und seine Kollegen im Bereich Prognosen gelinde gesagt nicht sehr gut sind. Und das gilt nicht nur für Herrn Kato. Unsere Bilanz im Hinblick auf die Vorhersage bedeutsamer seltener Ereignisse in Politik und Wirtschaft ist nicht fast Null, sie ist gleich Null. Ich entwickelte sofort und auf der Stelle meine Lösung. Wir können nicht sämtliche Prognostiker ins Gefängnis stecken; wir können niemanden daran hindern, Prognosen anzufordern; wir können den Menschen nicht verbieten, jemand neuen anzuheuern, der Zukunftsversprechungen macht. »Mein einziges Ziel: Ich möchte in einer Welt leben, in der Prognosen wie die von Herrn Kato Ihnen nichts anhaben können. Und diese Welt hat vor allem eine Eigenschaft: Robustheit.«
Aus meiner Frustration dort und damals entstand die Idee mit der Triade Fragilität – Robustheit – Antifragilität als Ersatz für Prognosemethoden.
Ms. Bré hat Konkurrenten
Der eigentliche Grund für meine Wut lag darin, dass mir aufgegangen war, dass Vorhersagen nicht neutral sind. Sie haben Nebenwirkungen. Sie können sich auf Risikonehmer ganz direkt schädlich auswirken – ganz so, als würde man kranken Menschen anstelle einer Krebsbehandlung irgendwelche Quacksalberarzneien verabreichen. Oder man denke an den Aderlass bei George Washington. Und dafür gab es Belege. Danny Kahneman rügte mich – zu Recht – dafür, dass ich mich vor (noch …) angesehenen Mitgliedern des Establishments so hatte gehenlassen, was einem klugen Mitglied der Intelligenzija, für das ich ja mittlerweile gehalten wurde, gar nicht gut anstand. Allerdings heizte er durch diesen Hinweis auf Nebenwirkungen meine Frustration und Empörung eher noch an. Es gibt zahlreiche empirische Belege für den Effekt, dass jemand, dem eine zufällige numerische Prognose angeboten wird, eine erhöhte Risikobereitschaft an den Tag legt, und zwar selbst dann, wenn er weiß, dass die Hochrechnungen zufällig sind.
Ich höre immer nur Klagen über Prognostiker, wo doch der nächste Schritt offensichtlich ist, auch wenn er kaum einmal wirklich getan wird: Man muss die schädlichen Nebenwirkungen der Prognoseverfahren gänzlich meiden. Das Prinzip der Kindersicherung leuchtet uns ein, warum dann nicht das von Sicherungen gegen Prognosen-Hybris?
Vorhersagen
Was die Sache vereinfacht: Das Robuste und das Antifragile brauchen kein so penibel-akkurates Weltverständnis wie das Fragile – und sie brauchen keine Vorhersagen. Um nachzuvollziehen, dass Redundanz ein prognosefreier oder besser gesagt weniger prognoseabhängiger Handlungsmodus ist, erinnere man sich an das Argument im zweiten Kapitel: Wenn Sie (außer Vorräten an handelbaren Gütern wie Dosenfleisch und Hummus und Goldbarren im Keller) noch zusätzliche Finanzmittel auf der Bank haben, dann muss es Sie nicht im Detail interessieren, welches Ereignis womöglich Probleme mit sich bringen wird. 33 Es könnte ein Krieg kommen, eine Revolution, ein Erdbeben, eine Rezession, eine Epidemie, ein Terroranschlag, die Abspaltung des Staates New Jersey, irgendetwas – Sie sind nicht groß auf Vorhersagen angewiesen, im Unterschied zu denen, die sich in der entgegengesetzten Situation befinden, vor allem, wenn sie verschuldet sind. Letztere brauchen aufgrund ihrer Fragilität sehr viel genauere Prognosen.
Schlechte Zähne hin oder her
Man kann Fragilität weitaus stärker kontrollieren, als man zunächst annehmen würde. Auf drei Punkte möchte ich detaillierter eingehen:
Es ist sehr viel einfacher, Antifragilität aufzuspüren – sie geradezu zu riechen, wie wir an Fat Tony in den nächsten Kapiteln sehen werden –, als Vorhersagen zu treffen und die Dynamik von Ereignissen zu verstehen. Aus diesem Grund reduziert sich die Aufgabe darauf, das zentrale Prinzip zur Minimierung der Schäden (und Maximierung des Gewinns) von Prognose-Irrtümern herauszuarbeiten, sich also auf Bereiche zu konzentrieren, die nicht scheitern, sondern im Gegenteil womöglich sogar davon profitieren, wenn wir einen
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