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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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auf der anderen Seite des Atlantiks mitgeteilt und zugeschickt wurde. Es kam dabei nicht auf den Betrag, sondern auf die Handfestigkeit der Aktion an – die Höhe der Beträge hätte zehn-, ja hundertmal so groß sein können, der Effekt wäre derselbe geblieben. Seine Selbstschutzmethode vor den Auswirkungen von Anerkennungsspielchen bestand also darin, den Umschlag mit dem Kontoauszug zu öffnen und dann weiter seinem Tagwerk nachzugehen; die Existenz der grausamen, unfairen Wörterbenutzer konnte ihm egal sein.
    Um allerdings diese moralische Haltung konsequent zu Ende zu denken, hätte Nero ebenso stolz – und zufrieden – sein müssen, wenn sich in dem Umschlag Verlustmeldungen befunden hätten. Ein Mann ist nur insoweit ein Ehrenmann, als er bereit ist, die Risiken für seine Haltung auf sich zu nehmen – mit anderen Worten, auch die Nachteile in Kauf zu nehmen, denen er ausgesetzt ist. Kurzum, Nero glaubte an Belesenheit, Ästhetik, Risikobereitschaft – und darüber hinaus an nicht sehr viel mehr.
    Was nun die Verwendung der Gelder anging, so folgte Nero, um der Wohltätigkeitsfalle zu entgehen, Fat Tonys Regel, systematisch Geld zu spenden, allerdings nicht denjenigen, die direkt darum baten. Und er gab keinen Penny an irgendwelche Wohltätigkeitsorganisationen, abgesehen vielleicht nur von solchen Vereinen, bei denen nicht eines der Mitglieder ein regelmäßiges Gehalt empfing.
    Einsamkeit
    Noch ein Wort zu Neros Einsamkeit. Nero bereitete es in den dunklen Tagen vor der Wirtschaftskrise 2008 manchmal Schmerzen, mit seinen Gedanken so allein zu sein – hin und wieder, besonders sonntagabends, fragte er sich, ob irgendetwas ausgerechnet mit ihm nicht stimmte – oder ob mit der Welt etwas nicht stimmte. Wenn er sich dann mit Fat Tony zum Mittagessen treffen konnte, war das, als würde er nach einer Durststrecke endlich ein Glas Wasser bekommen; sofort konnte er mit Erleichterung feststellen, dass er entweder nicht verrückt – oder jedenfalls nicht der einzige Verrückte war. Was da draußen geschah, machte wirklich keinen Sinn, aber es war unmöglich, andere davon zu überzeugen, vor allem jene nicht, die allgemein für intelligent gehalten werden.
    Man stelle sich doch nur einmal vor, dass von den nahezu eine Million Profis, die im Wirtschaftssektor beschäftigt sind – sei es in der Regierung (von Kamerun bis Washington, D. C.), der Universität, den Medien, Banken und Unternehmen oder als private Wirtschafts- oder Investmentberater –, dass von all diesen Personen weniger als eine Handvoll sah, was auf uns zukam – und eine noch kleinere Anzahl vermochte sich das volle Ausmaß des Schadens auszumalen.
    Und von denen, die es kommen sahen, erkannte nicht ein Einziger, dass es sich bei dieser Krise um ein Produkt der Moderne handelte.
    Nero konnte in Downtown New York in der Nähe des Platzes stehen, wo sich früher das World Trade Center erhoben hatte, gegenüber der riesigen Gebäude, in denen überwiegend Banken und Maklergesellschaften residierten und wo Hunderte von Menschen herumhetzten, die mit ihrem Hin und Her zwischen hier und New Jersey gigawattweise Energie verbrauchten; die Millionen Bagel mit Frischkäse verzehrten und damit eine Insulinreaktion anstießen, die ihre Arterien anheizte; und die gigabyteweise Informationen produzierten, einfach nur dadurch, dass sie redeten und Mails austauschten und Artikel schrieben.
    Dabei war alles nur Geräusch: Vergeblicher Aufwand, Kakophonie, unästhetisches Verhalten, verschärfte Entropie, ein Energieausstoß, der zu einer lokalen Erwärmung der New Yorker Ökozone führt, und eine gigantische Wahnvorstellung bezüglich dieses Phänomens »Reichtum«, das darauf programmiert war, sich irgendwie in Luft aufzulösen.
    Man könnte alle Bücher zum Thema zusammentragen und bekäme ein ganzes Gebirge. Leider ist für Nero alles in diesen Büchern, das sich um Wahrscheinlichkeit, Statistiken oder mathematische Modelle dreht, einfach nur heiße Luft , wie oft auch immer dort von Evidenzen und Beweisen die Rede ist. Und man lernt sicherlich während einiger weniger Mittagessen mit Fat Tony mehr als aus sämtlichen Büchern der sozialwissenschaftlichen Abteilungen in den Harvard-Bibliotheken, 36 mit fast zwei Millionen Büchern und Forschungspapieren, die für 33 Millionen Stunden Lektüre ausreichen würden – das entspricht nahezu neuntausend Jahren Lesen, wenn es als Fulltime-Job betrieben wird.
    Wir haben es hier also mit einem wirklich großen

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