Antiheld (German Edition)
großen, leeren Raum. Ich strecke mich und sehe an die Decke. Die Enge. Diese unglaubliche Enge. Man kann das Gebäude verlassen. Die Stadt. Das Land. Man kann sich das alles aussuchen wie in einem Katalog. Doch dein Leben, das kannst du nicht verlassen. Da kommst du nie wieder raus. Aus dieser Nummer gibt es keinen Ausweg. Keine schnelle Lösung. Nur die Endlösung. Den Tod. Das verrottende Fleisch, drei Meter tief unter der Erde.
«Er hat einen größeren Schwanz als ich …», sage ich leise und nehme mir eine Zigarette.
«Is das so‘n Männerding: Wer hat den Längsten?», fragt sie und steht auf.
Ich greife nach dem Feuerzeug. «Nein …», antworte ich noch leiser und inhaliere den Rauch.
Tagebuch Nimkin
Immer wenn ich bei ihr gewesen bin, fühle ich mich schlechter als vorher. Es ist, als würde ich beim Sex mit ihr eine organische Verbindung mit meinem Vater eingehen. Ich kann seine Anwesenheit förmlich spüren, als stoße ich in einen Doppelgänger. Jedes Mal schwöre ich mir, sie nie wiederzusehen. Trotzdem halte ich es nicht lange aus.
Die klare Nachtluft hat mich etwas von dem depressiven Trip runtergeholt. Ich habe in der X-Bar noch ein Bier getrunken, und wen treffe ich auf der Toilette? Enzo . Hat sich mächtig verändert. Nicht mehr viel von dem schnittigen Typen aus der C-Jugend übrig. Das Gesicht eingefallen und fast keine Haare mehr auf dem Kopf, dabei ist er genauso alt wie ich. Zuerst hat er so getan, als würde er mich nicht kennen. Erst als wir allein im Gang standen, hat er mich schließlich doch noch gegrüßt.
Ich sollte nicht mitbekommen, dass er der Latrinenreiniger ist. Dann der übliche Small Talk, wenn man sich ein paar Jahre lang nicht mehr gesehen hat. Hat seine Ausbildung abgebrochen, Fußball spielt er schon lange nicht mehr. Einen Sohn hat er auch. Als ich mich verabschieden wollte, fragte er mich, ob ich ihm hundert Euro leihen könnte.
Früher haben alle zu ihm aufgesehen. Enzo, der Maradona des Vereins. Das große Talent. Und er hatte es ja auch drauf, das sah man bereits in der Bambini-Elf. Da lief er allen davon und schoss ein Tor nach dem anderen. Er war der unbestrittene Star. Ich guckte stattdessen immer in die Luft und träumte. Heute erneuert Enzo also die Spülsteine in den Pissoirs und schießt nicht die Tore für die großen Clubs. Zuerst dachte ich, das sollte nach Genugtuung schmecken, doch das tut es nicht. Ich habe Angst, dass es mir genauso geht. Das ich die Pisse anderer wegwischen und Menschen, die ich jahrelang nicht gesehen habe, um Geld anbetteln muss.
Teil 2 Leere
Den Lämmern das Schlachthaus
« Der Deutsche war immer der Barbar, der Bewunderer des Krieges, der Feind – heimlich oder offen – der Menschenfreundlichkeit, des Liberalismus und der christlichen Zivilisation.»
Baron Vansittart
Ich liebe nicht nur Rosenberg. Himmler, Ohlendorf, Six, Rasch, Blobel - ich liebe alle diese amphetaminsüchtigen Soziopathen. Aber vor allem die Boheme in Uniform: Den Gnadenschuss erteilen zwischen Blutwurst und der letzten Zeile eines neuen Gedichts.
Jaja, sechs Millionen tote Juden. Meine Güte, wenigstens war ihnen niemals langweilig! Sie gingen einfach auf die Straße und liquidierten nach Lust und Laune herumstreunende Zigeuner, folterten zum Ausklang des feuchtfröhlichen Abends bolschewistische Konspirateure, kritzelten bei einem Glas Champagner Künstlernamen auf eine Serviette. Entartete Kunst. Wer erinnert sich heute noch an Fritz Heinsheimer?
Sex gab es auch reichlich: Schmerbäuchige Luden im SS-Mantel konnten sich im Konzentrationslager die schönsten Untermenschenfrauen aussuchen, ohne auch nur einen Reichspfennig zu investieren – Orgien, Obersturmbannführer Keilmann, Orgien! Oh, und in den Lebensbornen warteten Prototypen Claudia Schiffers – groß, blond, blauäugig – und wollten nichts anderes, als die steifen Penisse rassereiner Hengste in ihren engen Muschis empfangen.
Was für eine Welt! Ausbalanciert auf der Klippe des Wahnsinns. Wenn ich mich hier umsehe: Da ist nichts. Keine Regung. Alles fließt wie Dünnschiss aus dem Darm. Mir wäre jede Moritat, jede Metzelei, jede Schießerei in den Trümmern einer belagerten Stadt lieber als dieses eintönige Leben. Dieses Massenleben inmitten einer Herde verkommener Schweine.
Das sprichwörtliche kalte Kotzen ist eine psychosomatische Reaktion meiner Verachtung gegenüber den allermeisten Mitmenschen, und es beginnt bereits am Frühstückstisch, wenn ich in die eingefallene
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