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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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wie Sie kennen gelernt! Eine Künstlerin. Aber Sie und Alexandre und das Kind … warum müssen Sie sich eigentlich hier verstecken?«
    Statt zu antworten, begann Claudine an dem Häkeldeckchen herumzuzupfen, das Rosanna unter die Teekanne gelegt hatte. »Ich wundere mich, dass du jetzt erst fragst. Unser Freund Jonas hatte schon Recht, als er sagte, der Moritzhof sei der richtige Ort für uns!« Sie verzog den Mund. »Warum willst du die Geschichte überhaupt hören? Glaubst du, sie ist so viel anders als die, die ihr hier oben immer wieder zu hören bekommt? Eigentlich ist es doch immer dasselbe: Die Leute mögen keine Menschen, die ein Leben führen, das anders ist als das eigene! Wer anders ist, wird mit Misstrauen gestraft. Wer anders ist, wird als Gefahr betrachtet!« Bitterkeit überzog ihre Worte.
    Rosanna wand sich und zuckte dann verlegen mit den Schultern. Sie konnte doch nicht zugeben, dass sie rein gar nichts von Karls Ȇbernachtungsgästen« wusste! Das muss sich ändern, beschloss sie im Stillen. Karl konnte sie nicht ewig im Ungewissen lassen.
    Â»Kein Mensch gleicht dem anderen! Jeder hat seine eigene Geschichte, und ich würde eure gern hören. Aber nur, wenn du bereit bist, sie mir zu erzählen.« Unwillkürlich war Rosannazum vertraulichen Du übergegangen, doch Claudine schien sich nicht daran zu stören.
    Â»Also gut. Aber ich warne dich, du wirst dich unsäglich langweilen!« Sie hielt Rosanna ihre Teetasse hin. Nachdem sie gefüllt war, nahm Claudine einen tiefen Schluck.
    Â»Alexandre und ich haben uns vor ein paar Jahren kennen gelernt. Sein Vater ist ein berühmter Geigenmacher im Elsass. Er holt das Holz für seine Instrumente nur aus einem bestimmten Teil des Waldes, von besonderen Bäumen.« Claudine machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich verstehe nicht viel von diesen Dingen, aber die Leute kommen von weit her, um eine Geige von Meister Romain zu erstehen. So erging es auch Zoltan, dem Mann, mit dem ich damals durch die Lande reiste, um in Kurbädern den feinen Damen und Herren aufzuspielen. Zoltan ist ein wunderbarer Geiger – besser als Alexandre –, und wir konnten uns aussuchen, wo wir spielten. Gefiel uns eine Unterkunft nicht oder hielten wir die Bezahlung für ungenügend, lehnten wir ab – wir hatten schließlich die Wahl.« Sie lachte geziert. »Mit einer Geige aus der Werkstatt Romain wollte Zoltan unseren Ruf noch weiter tragen, über die Kurbäder hinaus zu den europäischen Adelshöfen. Doch dann kam alles ganz anders. Ich sah einen schwarzhaarigen Wuschelkopf, der mürrisch mit einem Besen in der Hand in der Tür des Geigenbauers herumlungerte, und verliebte mich in ihn. Kurze Zeit später hatte Meister Romain einen Gehilfen weniger und Zoltan seine Sängerin verloren.«
    Â»Wie romantisch! Dann hat also Alexandre deinetwegen sein Heimatdorf verlassen?« Rosanna seufzte tief auf und verspürte einen Stich im Bauch. Sie rutschte von ihrem Stuhl hinüber zu Claudine aufs Sofa. Seit dem Morgen hatte sie immer mal wieder kleine Stiche im Unterleib wahrgenommen. Nicht wirklich schmerzhaft, aber auch nicht angenehm. Vielleicht erleichterten die weichen Kissen im Rücken ihr das Sitzen.
    Claudine lächelte. »Alexandre tut alles für mich. Damals begann die schönste Zeit meines Lebens. Oh, wir stritten viel! Dastun wir auch heute noch. Aber es ist nie langweilig. Alexandre hat Ideen, bei denen andere die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden, aber ich liebe ihn dafür. Und wenn wir gemeinsam spielen – nun, du hast es ja gehört … Zoltan dagegen hatte nur seine Musik im Kopf. Mein Gesang war für ihn nicht mehr als ein Stückchen Spitze auf einem edlen Gewand, und am liebsten wäre er als Solokünstler gefeiert worden. Nun, soviel ich weiß, ist ihm das inzwischen auch gelungen. Du siehst also, alles hat sich zum Besten entwickelt.« Sie machte eine anmutige Handbewegung. Doch als Rosanna leise aufstöhnte, runzelte Claudine die Stirn. »Ich weiß, ich weiß, du willst wissen, wie es dazu kam, dass wir uns verstecken müssen. Wie gesagt, es ist eigentlich immer die gleiche Geschichte. Mit Alexandre konnte ich nicht mehr so wählerisch sein, was die Auftritte betraf – Einladungen in die feinen Salons hat er noch nie erhalten. Und als dann unsere Kleine zur Welt

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