Antonias Wille
von Rosannas Worten wurde von einem schrillen Schrei verschluckt.
Rosanna presste sich beide Hände auf den Bauch.
» Mon Dieu! Was ist denn los?« Claudine sprang auf und griff Rosanna mit beiden Händen stützend unter die Arme, als befürchtete sie, die andere würde im nächsten Moment umfallen. »Ist dir schlecht? Wirst du ohnmächtig? Rosanna, so rede doch!«
»Ich ⦠ich weià nicht â¦Â« Jedes Wort wurde von einem lauten Stöhnen begleitet. Rosanna hatte das Gefühl, als würde ihr Bauch entzweigerissen, als stritten sich zwei hungrige Wölfe um die besten Stücke. »Claudine, ich glaube, das Kind kommt â¦Â«
Claudine rief noch ein paarmal »Mon Dieu«, doch dann wurde ihr ziemlich schnell klar, dass der liebe Gott in Sachen Geburtshilfe nicht die allergröÃte Unterstützung sein würde. Danach ging alles ziemlich schnell: Ich schleppte mich in meine Kammer hinüber, mit einem dicken Packen Leinentücher unter dem Arm. Damit deckte ich das Bett ab. Dann bat ich Claudine, Wasser aufzusetzen, und sagte ihr, wo sie frische Handtücher finden würde. SchlieÃlich kroch ich aufs Bett, wo ich mich meinem Schicksal ergab.
Ich war so froh, nicht allein zu sein! Claudine wusste, was zu tun war. Sie hielt meine Hand, wenn eine Wehe meinen Bauch zerreiÃen wollte. Sie forderte mich auf zu schreien, obwohl es dazu eigentlich keiner groÃen Aufforderung bedurfte. Trotz des Dröhnens in meinen Ohren hörte ich, wie die Männer ins Haus zurückkamen. Die Bienen seien zum ersten Mal ausgeflogen, rief Karl hocherfreut, während er die Treppe hinaufpolterte. »Ein Schwarm im Mai ist wert ein Fuder Heu«, fügte er hinzu. Doch Claudine wollte weder von den Bienen noch von der erfolgreichen Hasenjagd der beiden etwas hören, sondern drückte Alexandre Claire in den Arm und schickte die erschrockenen Männer dann in die Küche. Karl wies sie an, etwas zu essen zu kochen.
Knapp eine Woche zuvor war ich noch diejenige gewesen, die Claudine beistand, nun hielt sie meine Hand. »Wir machen das gemeinsam«, sagte sie immer wieder. Als ob wir gleichzeitig ein Kind zur Welt bringen würden! Ich war zwar verängstigt und völlig ausgelaugt, aber ich hatte Unterstützung und dankte meinem Herrgott für dieses Wunder.
Gott sei Dank ging alles gut. Nach vier Stunden kam mein Junge zur Welt. Ich blutete stark, doch Claudine beruhigte mich. Das sei nicht schlimm, bei ihr seien noch ganz andere Sturzbäche gekommen.
Vom ersten Moment an war Bubi ein wunderschönes Kind, mit einem schwarzen Flaum auf dem Köpfchen und blauen Augen,von denen Claudine jedoch meinte, dass sie ihre Farbe noch ändern könnten. Doch das haben sie nicht getan â mein Sohn hat auch heute noch blaue Augen.
Als sie ihn mir auf den Bauch legte, fing ich fürchterlich an zu weinen und konnte mich gar nicht mehr beruhigen. Warum war Zacharias nicht da, um seinen Sohn zu begrüÃen und ein Glas auf ihn zu heben, wie stolze Väter das tun?
Doch Claudine und Alexandre und natürlich auch Karl trösteten mich. Immer wieder bestätigten sie mir, was für einem prächtigen Kind ich das Leben geschenkt hatte. Ach, das tat so gut!
Drei Tage nach Bubis Geburt heulte ich erneut Rotz und Wasser. Unsere Gäste reisten nämlich ab. Aber einen Trost hatte ich: Claudine versprach mir, auf dem Weg nach Frankreich nach Josef Stix Ausschau zu halten, einem Wanderpfarrer, der mein Kind taufen sollte. Dass der Rombacher Pfarrer meinem Bastard nicht die Weihe geben würde, war mir seit Lichtmess klar. Claudine versprach mir auÃerdem, uns zu besuchen, sobald Gras über die falschen Anschuldigungen in Baden-Baden gewachsen war.
Als Simone das nächste Mal auf den Moritzhof kam, traf sie natürlich fast der Schlag. Bei ihrem letzten Besuch hatte ich gesagt, das Kind würde sich bestimmt noch einige Wochen Zeit lassen, und nun war Bubi plötzlich da! Natürlich bestaunte auch sie ihn gebührend und behauptete sogar, er sei ein viel hübscherer Säugling als Kathis Sohn. Dann wollte sie unbedingt wissen, wie die Geburt verlaufen war. Und warum ich sie nicht geholt hatte. Als ob ich dazu noch in der Lage gewesen wäre! Also erzählte ich ihr von Claudine und Alexandre. Natürlich ohne Namen zu nennen und ohne den Grund für ihren Besuch zu verraten. Sofort verdüsterte sich Simones Miene.
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