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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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würde? Dann wärst du nicht mehr allein.«
    Â»Ach Simone, jetzt bist du es aber, die träumt!«, erwiderte Rosanna gequält. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass deine Leute dich einfach weggehen lassen würden?«
    Â»Wenn ich heiraten würde, müssten sie mich auch gehen lassen!«, antwortete Simone heftig. Nur würde sie nie heiraten. Niemals!
    Rosanna seufzte. »Ich habe geglaubt, du würdest mir dabei helfen, Pläne zu schmieden. Zu überlegen, was zu tun ist. Du könntest mir zum Beispiel anbieten, den schriftlichen Kram zu erledigen, der in so einem Hotel gewiss zuhauf anfällt. Wo du mit Zahlen doch so gut umgehen kannst.«
    Simone ließ Rosanna abrupt los. »Wenn ich dir das anbieten würde, dann hieße das doch, dass ich deine verrückten Ideen unterstütze!«
    Â»Und warum tust du es nicht?«, antwortete Rosanna sanft. »Ich dachte, du bist meine Freundin …«
    Simone wandte trotzig den Kopf ab und schwieg.
    Â»Na gut, wenn du nicht willst … Dann fahre ich eben Anfang Juni allein nach Titisee.« Auf Rosannas Stirn hatte sich eine steile Falte gebildet.
    Â»Titisee? Aber was willst du … Ich dachte, wir könnten dieses Jahr wieder einmal auf Wallfahrt gehen!« Simones Gedanken flatterten davon, und sie beobachtete nervös, wie sich Rosannas Schultern in der für sie typischen Art strafften.
    Â»Bleib mir mit deinen Wallfahrten vom Leib! Was ich jetzt brauche, ist etwas anderes als ein paar bunte Bildchen von irgendeiner Marienstatue!«
    Simone bekreuzigte sich hastig. Wie konnte die geliebte Freundin nur so daherreden! Und wie sie sie anschaute! So hart. So gleichgültig. So gemein … Hilflos suchte sie nach passenden Worten. Nach irgendetwas, das geeignet wäre, Rosanna wieder zur Besinnung zu bringen. Doch Rosanna sprach weiter, ohne sich um Simones Verwirrung zu kümmern.
    Â»Was ich jetzt brauche, sind Eindrücke, wie es dort zugeht, wo Touristen sind. Die Gräfin hat gesagt, Titisee sei ein vorzüglicher Ort für Erholungssuchende. Dort gibt es viele Hotels und Gaststätten und sogar eine Uferpromenade mit Ruderbooten und Badehäuschen! Ich werde in mindestens zwei verschiedenen Hotels übernachten, damit ich einen Vergleich habe, verstehst du? Und ich werde jeden Tag woanders essen gehen. Natürlich muss ich mir erst einmal etwas Ordentliches zum Anziehen kaufen. Wahrscheinlich erledige ich das gleich an Ort und Stelle, die Gräfin sagte nämlich, es gäbe dort auch hervorragende Geschäfte. Ach, wenn ich an all das denke, wird mir schon ein wenig bang. Und dann der Gedanke an die Eisenbahnfahrt … Aber nur so kann ich herausfinden, was Reisenden gefällt.« Sie goss frisches Wasser in den Bottich.
    Simone fühlte sich, als habe sie ihren Kopf zu lange unter eiskaltes Wasser gehalten. Rosannas Redeschwall betäubte ihreNerven, sie nahm nur noch Wortfetzen wahr, ohne den eigentlichen Sinn zu erfassen. Pläne – nichts als Pläne. Wozu? Warum?
    Â»Und außerdem: Was hält mich denn hier, seit Bubi tot ist? Wen interessiert es, ob ich hier oben auf dem Berg sitze oder nicht?«, fügte Rosanna mit harter Stimme hinzu.
    Mich interessiert es, mich! , wollte Simone rufen, doch da sprach Rosanna schon weiter.
    Â»Und außerdem bin ich mir sicher, dass die Idee mit dem Hotel auch in Karls Sinne wäre.«
    Der letzte Satz klang nicht völlig überzeugt. Sofort beschloss Simone, in diese Kerbe zu hauen.
    Â»Gewiss wäre es nicht in Großvaters Sinne, dass sich Stadtmenschen hier oben ausbreiten! Leute, die nicht hierher gehören. Wenn du so weitermachst, muss ich am Ende noch der Mutter Recht geben, die sagt, du hättest den Moritzhof zu einem rechten Kuckucksnest verkommen lassen!«
    Statt eingeschnappt zu sein, brach Rosanna in schallendes Gelächter aus. »Das ist eine Idee!«, sagte sie, als sie sich wieder beruhigt hatte, und legte Simone kameradschaftlich einen Arm um die Schulter. »Weißt du, dass du mich gerade von einem großen Problem befreit hast?«
    Simone runzelte die Stirn. »Wieso denn das?«
    Â»Na, endlich weiß ich, wie ich mein zukünftiges Hotel nennen werde! ›Hotel Kuckucksnest‹!« Rosanna grinste schadenfroh. »Dann haben endlich alle Recht, die sagen, dass sich auf dem Moritzhof Fremde einnisten, die eigentlich gar nicht hierher gehören.«

17. Juni

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