Antonias Wille
uns hier oben stört. Warum willst du dir fremde Leute ins Haus holen? Der scharfe Geruch, der aus dem Bottich aufstieg, brannte in ihren Augen. Was um alles in der Welt hatte Rosanna da hineingetan?
Sie verstand die Freundin nicht. Sie verstand die Freude nicht, die aus Rosannas Augen strahlte. Und es war ihr schleierhaft, woher Rosanna die Kraft nahm, mit der sie die Wäsche herumschleuderte, als gelte es einen Wettbewerb zu gewinnen. Rosanna war in den letzten Monaten so zart wie ein neu geborenes Vögelchen gewesen. Ein Vögelchen, das man herzen, das man unter die warme Jacke stecken und beschützen wollte. Heute aber stand ihr ein wild gewordenes Huhn gegenüber!
Wo kam sie her, diese Kraft? Nicht von ihr, Simone â sie war ja nicht hier oben gewesen, weil Zacharias sie wegen der verflixten Gäste nicht weggelassen hatte. Jedes Jahr kamen sie früher! Wo sie im »Fuchsen« doch eh schon nicht mehr ein noch aus wussten vor lauter Arbeit. Und nun dachte Rosanna allen Ernstes darüber nach, sich dasselbe Los aufzubürden? Und das ohne jede Not?
»Du weiÃt ja gar nicht, wovon du sprichst«, erwiderteSimone barscher als beabsichtigt. »Solch ein ⦠Hotel« â wie sich das anhörte! Rosanna schien wirklich den Verstand verloren zu haben â »kannst du doch nicht einfach aus dem Stegreif führen. Schau dir doch mal an, wie viel Arbeit allein diese beiden Leute gemacht haben!« Sie zeigte auf die zwei Körbe, die noch immer überquollen von schmutziger Wäsche. »Daheim sind wir fünf Leute, wenn du Kathi dazunimmst, sechs, und dennoch kommen wir kaum zurecht mit der Arbeit. Und da bildest du dir ein, das allein schaffen zu können?«
»Natürlich nicht!«, schnaubte Rosanna zurück. »Mir ist schon klar, dass ich Hilfe brauchen werde. Aber da ist ja Bärbel, die â«
»Bärbel? Die stinkt doch eine halbe Meile gegen den Wind nach Ziegen! Die willst du auf Hotelgäste loslassen?« Simones Lachen klang schrill.
»Die Ziegen kommen sowieso weg. Na ja, vielleicht behalte ich ein paar, gerade so viele, dass wir Käse für unsere Gäste machen können. Der hat den beiden nämlich gut geschmeckt.«
Simone biss sich auf die Lippen. »Die Ziegen kommen weg, aha. Das steht also auch schon fest.« Ihr Bauch verkrampfte sich, als hätte ihr jemand eine Faust hineingerammt.
»Genau! Und dafür kauf ich noch ein paar Hühner. Dann habe ich immer genug Eier für das Frühstück und welche zum Backen noch dazu!«, antwortete Rosanna zufrieden.
Simone schüttelte nur den Kopf. Sie war sprachlos.
Eine Zeit lang war nur das Platschen aus dem Waschbottich zu hören.
Ein Hotel ⦠fremde Leute hier oben ⦠womöglich Männer, die Rosanna nachstiegen ⦠Leute, die etwas von Rosanna wollten, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sie, Simone, wusste, wie es war, ständig springen zu müssen, weil irgendjemand pfiff.
Wäre ich doch nur letzte Woche hergekommen, schalt sich Simone im Stillen. Hätte ich doch Zacharias einfach toben lassen! Wieder einmal war sie nicht da gewesen, als die Freundin sie gebraucht hatte. Und nun hatte so eine feine Dame ihr einenFloh ins Ohr gesetzt. Und sie konnte sehen, wie sie den wieder herausbekam. Nun, das würde ihr nicht gelingen, indem sie hier saà und ihren Bauch hielt, auch wenn das Pochen und Drücken darin immer schlimmer wurde.
Simone holte tief Luft. »Und wo willst du Gäste herbekommen? Es hat Jahre gedauert, bis es sich einigermaÃen herumgesprochen hatte, dass man im âºFuchsenâ¹ gut übernachten kann. Und dabei liegt unser Haus direkt an der StraÃe nach Süden, also sehr günstig für Leute auf der Durchreise. Aber der Moritzhof ⦠Wer sollte denn in diese Einsamkeit kommen wollen?«
Rosanna lieà beide Hände ins Wasser sinken.
»Siehst du, jetzt sagst du selbst, dass es hier oben einsam ist.« Sie schaute Simone um Verständnis heischend an. »Wenn jemand hier oben ist â Stanislaus, Claudine, du oder jetzt die beiden feinen Leute â, dann fällt mir wenigstens nicht die Decke auf den Kopf. Kannst du das nicht verstehen?«
Simone trat an Rosanna heran. Sie legte ihr von hinten beide Arme um den Leib. Als sie ihr einen Kuss auf die feuchte Wange drückte, schmeckte sie Rosannas salzigen SchweiÃ.
»Und wenn ich zu dir ziehen
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