Antonias Wille
Richtung Süden gelaufen. Ein paarmal wurde ich von Fuhrleuten gefragt, ob ich mitfahren wolle, doch ich lehnte stets ab. Stattdessen habe ich immer wieder Reisende â Uhrenhändler und Hausierer â gefragt, ob dies auch der richtige Weg in die Schweiz sei. Der Schwarzwald ist schlieÃlich riesengroÃ, und die Vorstellung, im Kreis herumzuirren, machte mir Angst. Ja, hieà es immer nur, aber ich hätte noch ein gutes Stück vor mir, und irgendwann ginge es dann ziemlich steil bergab.
Die tagelangen Märsche bergauf und bergab hatten mich ziemlich erschöpft. Das Brot und die Scheibe Speck, die ich mir zu Hause eingepackt hatte, waren längst verspeist, und am Vortag hatte ich auÃer etwas frischem Sauerampfer, den ich am Wegesrand abgerupft hatte, nichts gegessen. Was gibt der Wald im Mai schon her? Aber ich hatte noch etwas Geld in der Tasche. Damit wollte ich zwar recht sparsam sein, trotzdem beschloss ich, mir im nächsten Ort einen Laib Brot zu kaufen, und das war zufällig Rombach.
Ein hübsches Dorf, mit einem Marktplatz, in dessen Mitte ein wunderschöner Maibaum prangte, und mit blühenden Kastanienbäumen vor den Häusern. Ich konnte das Blöken von Lämmern hören und das Muhen der Kühe. Ich kam an einer Schmiede vorbei und an einem amtlich aussehenden Gebäude, von dem ich erst später erfahren sollte, dass es das Rathaus war. Einen Krämerladen entdeckte ich allerdings nirgendwo, und so lief ich wieder zum Ortsanfang zurück, wo ich linker Hand eine Mühle gesehen hatte. Ich hoffte, dort etwas zu essen kaufen zu können.
Und da â¦
Käthe Müllers Augen brannten, und in ihrer Nase kitzelte es. Kurz darauf musste sie mehrmals niesen. Wahrscheinlich bin ich die einzige Müllerin weit und breit, die so empfindlich auf Mehlstaub reagiert, ärgerte sie sich nicht zum ersten Mal, während sie mit Daumen und Zeigefinger den Rotz von ihrer Nase entfernte. Den ganzen Winter über hatte sie einigermaÃen Ruhe gehabt, doch jetzt, da die ersten warmen Sonnenstrahlen durch die Luken in die Mühle fielen, ging die Nieserei wieder los. Schniefend nahm sie einen neuen Sack zur Hand, befestigte ihn an der Mahlgangsöffnung, legte einen Riegel um und lieà im nächsten Moment einen Schwall Mehl in den Sack rauschen. Um die unnötige Luft daraus zu verdrängen, stauchte sie ihn ein paarmal kräftig. Bevor sie ihn zuband, langte sie einer Eingebung folgend hinein und lieà eine Hand voll Mehl durch ihre Finger rieseln. Wie sie es sich gedacht hatte: viel zu grob! Dabei hatte die Wirtin des »Fuchsen« diese Woche ausdrücklich feines Mehl bestellt. »Gerhard!«, kreischte Käthe.
Im nächsten Moment wurde das Tor aufgerissen.
»Verflixt noch mal, der Mühlstein gehört geschliffen, merkst du das denn nicht? Wie oft hat dein Vater, Gott hab ihn selig, dir gesagt, wie wichtig es ist, den â¦Â« Sie drehte sich um und schrak zusammen, als sie Franziska Breuer sah.
»Grüà Gott, Käthe!« Mit einem letzten Schwung bugsierte die »Fuchsen«-Wirtin ihren Leiterwagen durch das Tor, bevor es hinter ihr zuschlug.
Die Müllerin grüÃte brummend zurück. Hätte die Frau nicht ein paar Minuten später kommen können? Jetzt wusste sie gleich, dass das Mehl nicht so fein war, wie es sein sollte. Und überhaupt: Was tat sie hier, wo sie sonst doch immer ihre Tochter schickte? Wahrscheinlich lieà sich Gerhard deshalb nicht blicken! Hätte sich Kathi Breuer angesagt, würde er sich schon seit Ewigkeiten wie ein Taugenichts im Mahlstüble herumdrücken, um sie nur ja nicht zu verpassen!
Käthe wies auf den Sack Mehl zwischen ihren Beinen. »Das ist der letzte, die drei anderen hab ich schon abgefüllt.« EinÃchzen unterdrückend hievte sie einen Sack nach dem andern auf den Leiterwagen. Wehe, wenn sie ihren Sohn in die Finger bekam â¦
»Brauchst du sonst noch etwas?«, fragte sie Franziska Breuer, als der letzte Sack verstaut war.
»Ja, pack mir Salz ein. Und Zucker. Und wenn du noch ein, zwei Töpfe saure Gurken hättest?«
Die Müllerin runzelte die Stirn. »Seit wann kaufst du Gurken zu?« Normalerweise stellten die Breuers alles selbst her, was sie ihren Gästen im Wirtshaus anboten. Und Gurken pflanzten sie auch in ihrem Gemüsegarten an. Ja niemanden einen Pfennig verdienen lassen! Den Hals nicht voll kriegen
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