Antonias Wille
kann? Ich füttere doch eine Fremde nicht umsonst durch! Nein, sie soll gleich zeigen, was in ihr steckt«, zischte Franziska zurück.
Rosanna, die gerade den Inhalt eines Mehlsacks zur Hälfte in den Holztrog schüttete, hielt in der Bewegung inne.
»Ich weià nicht ⦠Eine Wildfremde â und so jung dazu ⦠Brotbacken ist doch eigentlich Männersache«, hörte sie den »Fuchsen«-Wirt sagen. Hoffentlich jagte er sie nicht doch noch davon! Den Gedanken an eine warme Mahlzeit und einen Tag Rast hätte sie nur ungern wieder aufgegeben. Hastig schüttete sie Wasser zum Mehl und begann, die Masse mit den Händen zu vermengen. So! Jetzt hatte sie angefangen, also konnte sie keiner mehr verjagen â¦
»Männersache! Wo doch der Zacharias nichts davon wissen will und der Anton den ganzen Tag mit Wurstmachen beschäftigt ist! Willst du dich vielleicht selbst hinstellen und backen?«, erwiderte Franziska bissig. »Das Mädchen bleibt. Ich will jetzt nichts mehr hören!«
Rosanna hatte unwillkürlich die Luft angehalten. Jetzt atmete sie erleichtert aus. Im nächsten Moment wurde die Tür zum Backhaus aufgerissen. Franziska stellte eine Schüssel auf den Rand des Troges und einen Becher mit Milch daneben.
»Hier ist was zu trinken. Und der Sauerteig. Vergiss bloà nicht, vom neuen Teig etwas für die nächste Woche zurückzubehalten!« Mit verschränkten Armen schaute Franziska Breuer zu, wie Rosanna nach einem Teigbatzen langte und ihn mit einem schmatzenden Geräusch gegen die hölzerne Wand des Troges schlug.
Franziska schnaubte zufrieden. »Na also, das wird doch was!« Gleich darauf war sie verschwunden.
Mit klebrigen Fingern griff Rosanna nach dem Becher Milch und trank ihn in einem Zug aus. Von dem Teig stieg eine WogeKümmelduft empor und lieà ihren Magen knurren. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte sich eine Hand voll Teig in den Mund gestopft, doch dann siegte die Vernunft. Nachdem sie in den letzten Tagen fast nur von Kräutern aus dem Wald gelebt hatte, würde ihr ein roher Teigbatzen gewiss Bauchweh bereiten. Und dann fiel ihr das Kneten und Walken nur noch schwerer. Rosanna versuchte, das flaue Gefühl in ihrem Magen zu ignorieren, und arbeitete weiter.
Allmählich wurde der Teig immer luftiger, und bald würde sie ihn abgedeckt ruhen lassen. Dann konnte auch sie sich ein wenig erholen. Das Feuer im Ofen hatte sie schon angezündet, bevor sie mit dem Teig begonnen hatte. Mit dem alten Steinofen im Wald, in dem sie immer für sich und die anderen Köhler Brot gebacken hatte, kannte sie sich gut aus. Bei diesem hier konnte sie nur schätzen, wann er die richtige Temperatur haben würde. Sie beschloss, noch ein paar Scheite Buchenholz nachzulegen, obwohl es in der Backstube schon jetzt brütend heià war. Rosanna konnte nicht verhindern, dass hin und wieder ein SchweiÃtropfen von ihrer Stirn in die Backmulde tropfte. Wer hier im Sommer Brot backen musste, war nicht zu beneiden, ging es ihr durch den Kopf. Dagegen war es im Wald selbst im Hochsommer stets kühl gewesen.
Wie jedes Mal, wenn Rosanna an zu Hause dachte, verspürte sie eine tiefe Traurigkeit. Sie hielt mitten in der Bewegung inne.
Sie vermisste ihre Mutter wie am ersten Tag, dabei war sie schon seit zwei Jahren verschwunden. »Geteiltes Leid ist halbes Leid«, hatte sie immer geflüstert und sich schützend zwischen Rosanna und den Vater gestellt, wenn der mal wieder im Suff grob wurde. Mutter â¦
Rosannas Finger krallten sich am Holztrog fest, bis ihre Knöchel weià wurden. Die Traurigkeit wurde von einem beiÃenden Hass ersetzt, der wie Gift in jede ihrer Körperzellen strömte. Geahnt hatte sie es schon immer, aber seit letzter Woche besaà sie die Gewissheit, dass ihre Mutter damals nicht auf und davon gelaufen war, wie Vater immer behauptet hatte. Sichdavonzuschleichen wäre auch gar nicht ihre Art gewesen! Und schon gar nicht ohne Rosanna. Mutter hätte sie nie und nimmer allein zurückgelassen. Und als Vater ihr letzte Woche im Rausch drohte, es würde ihr »ergehen wie der Mutter, wenn sie nicht spurte«, und dabei auf den Meiler deutete, da war es ihr auf einmal wie Schuppen von den Augen gefallen.
»Du ⦠du hast sie umgebracht! Und dann verbrannt, nicht wahr? Sie kann gar nicht mehr zurückkommen!«, hatte sie den Vater angeschrien
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