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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Mann vergleichen? Es fehlte nicht viel, und ich hätte Simone für ihre Bemerkung eine Ohrfeige verpasst. Stattdessen erwiderte ich, dass auch sie irgendwann die Liebe zu einemMann erleben würde. Doch Simone wies meine Bemerkung mit einer solchen Heftigkeit von sich, dass es mir fast ein bisschen Angst machte. Ich fragte mich, ob sich das Erlebnis beim Beerenpflücken wirklich so tief in Simones Gedächtnis eingebrannt hatte, dass sie sich nie davon erholen würde.
    Außerdem hatte Simone Unrecht, wenn sie glaubte, Zacharias ginge es nur um das eine. In jenen Nächten lernte ich nämlich noch eine andere, eine nachdenklichere Seite von Zacharias kennen: Er war nicht nur der frohgemute junge Mann, der auf Maibäume kletterte und das Bier mit solchem Eifer zapfte, dass es in den Gläsern zischte wie heftiger Frühlingsregen. Er wollte mehr vom Leben, war erfüllt von einer Sehnsucht, für die er keinen Namen fand. Er sprach immer wieder darüber, dass ich es gewagt hatte, meine Heimat zu verlassen, mich mutterseelenallein auf den Weg zu machen. »Von einem Punkt im Leben aus losgehen, auf ein unsichtbares Ziel zu«, so umschrieb er es. Ich konnte ihm nicht klar machen, dass es schlichtweg notwendig gewesen war, diesen Schritt zu tun, er sah etwas Geheimnisvolles, Abenteuerliches darin. Gleichzeitig sprach er immer wieder davon, dass seine Eltern ihm eines Tages die gesamte Wirtschaft übergeben würden. Ihm passte vieles nicht an der Art, wie seine Eltern den »Fuchsen« führten. Altmodisch seien sie und neuen Ideen gegenüber verschlossen, so störrisch wie Esel, die lieber stehen blieben, als einen fremden Weg zu gehen. Er dagegen …
    Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er sich fast wünschte, sein Vater würde sich nicht mehr richtig von dem Unfall erholen. Dann würde sein Ziel, selbst Wirt des »Fuchsen« zu werden, in greifbarere Nähe rücken. Doch gleich darauf schalt ich mich dafür, dass ich Zacharias solche niederträchtigen Gedanken zutraute.
    Wann immer es möglich war, sorgte Zacharias dafür, dass wir zusammen arbeiten konnten – sehr zu Simones Unmut! Sie hatte das Gefühl, von mir verraten worden zu sein, und ich konnte nichts dagegen tun. Manchmal war ich so wütend auf sie, dass ich sie anschrie: »Warum rennst du mir nach wie ein Hund, der keinZuhause hat? Lass mich in Ruhe!« Wenn sie dann mit eingezogenem Kopf davonschlich, bekam ich gleich ein schlechtes Gewissen. Manchmal rannte ich ihr dann hinterher und bat sie um Entschuldigung. Oft war ich aber auch einfach froh, sie los zu sein, um meine Zeit mit Zacharias ungestört genießen zu können. Wenn wir zusammen waren, machte selbst das Hühnerrupfen Spaß! Meine Haare seien im Nacken so zart wie Kükenflaum, sagte er dabei einmal und küsste mich genau dorthin. Dabei bekam ich durch die Berührung eher eine wohlige Gänsehaut …
    In jenem Sommer schliefen Zacharias und ich das erste Mal miteinander. Nicht in meiner Kammer, sondern oben auf den Reutbergen beim Kartoffelhacken, während klumpige Erdbollen in meinen Rücken drückten und sich ein eklig glänzender Käfer in meinem Haar verlief. Über unseren Köpfen verwehte der Sommerwind die Pusteblumen, deren Samen im nächsten Frühjahr zu dicken, sattgelben Löwenzahnblüten heranwachsen würden. Es war wunderschön!
    Zacharias’ Berührungen waren kraftvoll und sanft zugleich und unsere Körper wie füreinander geschaffen, jedenfalls kam es mir so vor. Es war auch für ihn das erste Mal, und dennoch war es für uns beide zu jenem Zeitpunkt die natürlichste Sache der Welt. Den Gedanken, dass wir Unrecht taten, verbannte ich in eine so dunkle Ecke in meinem Kopf, dass er sich schließlich nicht mehr blicken ließ. Natürlich hatte ich Angst, schwanger zu werden. Aber Zacharias versprach mir aufzupassen. Außerdem, sagte er, würde man nur schwanger, wenn man es darauf anlegte, so wie Kathi es getan hatte …
    Der Sommer kam und ging. Irgendwann machte die flirrende Hitze Nächten Platz, in denen es bereits empfindlich kalt wurde. Silberne Fäden, die den Leuten auf den Gesichtern kleben blieben, zogen sich auf allen Wegen von einem Strauch zum anderen. Die Felder und die Bäume waren abgeerntet – an demGemüse, dem Obst und den Beeren, die nicht rechtzeitig eingebracht worden waren, taten sich nun

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