Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Geschichten aus der Wirtsstube oder von ihren Besuchen beim Großvater, während sich Simone mit andächtigem Glanz in den Augenhingebungsvoll Rosannas Haaren widmete. Doch heute saß Rosanna stumm und zusammengesunken auf der harten Kante ihres Bettes in Kathis ehemaliger Kammer. Simone gab sich Mühe, die Bürstenstriche so sanft wie möglich zu führen – sie wusste, worunter ihre Freundin litt!
    Rosanna hätte Simone am liebsten weggeschickt. Dass Franziska sie vor allen Gästen und vor Zacharias dermaßen abgekanzelt hatte, fraß an ihr wie eine gierige Ratte. Warum nur? Was hatte sie denn getan? Ihr Blick fiel auf die beiden neuen Kleidungsstücke, die sie achtlos zu Boden geworfen hatte. Sie drehte sich zu Simone um.
    Â»Gönnt sie mir die Sachen nicht? Ist es das? Die Stoffe lagern doch schon mindestens seit zehn Jahren da oben im Schrank! Wenn ihr Herz daran hängt, warum hat sie ihren Vater dann nicht längst darum gebeten? Er hätte sie ihr bestimmt gegeben.« Rosanna spürte Tränen aufsteigen. Verflixt, sie wollte doch nicht weinen!
    Simone zuckte mit den Schultern. »Manchmal kann sich Mutter selbst nicht leiden, glaube ich.« Sie hielt in ihrer Bewegung inne. »Und sie macht sich Sorgen um den Vater …«
    Heute hatte ihr Vater so laut in seiner Kammer geschrien, dass man ihn bis in die Küche hören konnte. Es ging um einen Sturm, ein herabfallendes Dach und um Zwerge, die Wäsche klauten … lauter wirres, unzusammenhängendes Zeug. Alle hatten so getan, als würden sie es nicht mitbekommen. Aber es war ihnen inzwischen klar, dass das gebrochene Bein nicht der schlimmste Schaden war, den der Unfall beim »Fuchsen«-Wirt verursacht hatte. Der Doktor konnte sich nach wie vor keinen Reim auf die sonderbaren Anfälle machen. Sollten sie sich nicht bald verflüchtigen, sei es ratsam, Gustav einmal bei einem Spezialisten in Freiburg untersuchen zu lassen, hatte er bei seinem letzten Besuch gemurmelt.
    Rosanna runzelte die Stirn. Vielleicht war Franziska wirklich außer sich vor Sorge um ihren Mann. Aber warum musste dann ausgerechnet sie als Sündenbock herhalten?
    Â»Deinem Vater ging es heute auch nicht schlechter als in den letzten Tagen«, erwiderte sie hart. »Nein, nein, es ist etwas anderes … Man könnte fast meinen, deine Mutter ist eifersüchtig darauf, dass ich mich mit dem Großvater so gut verstehe!« Bei den letzten Worten war sie laut geworden. Dann erinnerte sie sich daran, dass die Schlafkammer der Wirtsleute nur drei Türen entfernt lag, und fuhr leiser fort:
    Â»Ob es ihr lieber wäre, der Alte würde sich jede Woche mit mir anlegen, so wie er es mit Kathi getan hat? Ich kann doch auch nichts dafür, dass er mich mag! Vielleicht liegt es daran, dass ich ihn gar nicht so schrecklich finde wie ihr. Er ist eigensinnig, aber ansonsten ein wirklich netter Mann.«
    Â»Die Sache mit dem Kleid finde ich auch sehr freundlich von ihm. Trotzdem … mir ist der Großvater unheimlich. Ich bin froh, dass er von mir nichts wissen will!« Ihre letzten Worte kamen recht spröde aus ihrem Mund.
    Rosanna seufzte. Sie wusste an diesem Tag nichts Aufmunterndes zu sagen. Sie nahm Simone die Bürste aus der Hand und schob das Mädchen mit sanftem Druck in Richtung Tür. »Heute lassen wir das Zopfflechten einmal ausfallen. Sei mir nicht böse, aber ich möchte jetzt schlafen.«
    Obwohl Rosanna so vieles durch den Kopf ging, fielen ihr die Augen zu, kaum dass ihr Kopf das Kissen berührt hatte. Als sie spürte, dass jemand an ihrer Schulter rüttelte, murmelte sie unwillig: »Simone, lass mich endlich …«
    Â»Psst, ich bin’s!«
    Die Stimme ließ Rosanna abrupt hochschrecken.
    Â»Zacharias!« Sie setzte sich auf. Unwillkürlich zog sie den dünnen Stoff ihres Nachthemdes über ihrer Brust zusammen. Ihr Herz raste.
    Zacharias setzte sich auf die Bettkante. »Ich wollte dir nur sagen, dass es mir Leid tut, was heute Abend …« Er verstummte und machte mit niedergeschlagenen Augen eine Kopfbewegung in Richtung der elterlichen Schlafkammer. »Meine Mutter …Ich schäme mich für das, was sie getan hat! Dabei hast du so wunderschön ausgesehen.« Unbeholfen strich er Rosanna über die Wange.
    Die Berührung verwirrte sie. Und die Tatsache, dass Zacharias sie in ihrer Kammer aufsuchte, um sie zu

Weitere Kostenlose Bücher