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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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irgendeiner Frau im Dorf haust oder in einem Schweizer Armenhaus dahinvegetierst, überlässt du einen alten Mann seinem Schicksal«, setzte er anklagend hinzu. Seine Augen funkelten. Die Falten auf seiner Stirn waren noch ausgeprägter als sonst und erinnerten an gefurchten Ackerboden. Seine grauen Locken standen in alle Richtungen vom Kopf ab. »Ich könnte hier oben verrecken, und niemand würde es mitbekommen – soll es so sein?«
    Â»Um Gottes willen, wie reden Sie denn! Jetzt machen Sie mir auch noch Vorwürfe! Natürlich werde ich Sie vermissen. Und die Simone auch.« Obwohl ihre Worte der Wahrheit entsprachen, spürte Rosanna einen Anflug von Verbitterung. Jeder dachte nur an sich, ganz gleich, ob er Zacharias, Simone oder Karl Moritz hieß! Normalerweise durfte man Worte wie Alter und Krankheit in seiner Gegenwart nicht in den Mund nehmen – und ausgerechnet jetzt tat er so, als ob sein letztes Stündlein bald schlagen würde, und bereitete ihr damit ein schlechtes Gewissen.
    Â»Ich geh doch nicht gern! Mir ist das alles hier« – Rosanna machte eine ausholende Handbewegung, die den Moritzhof und Rombach einschließen sollte – »ans Herz gewachsen. Aber was soll ich denn tun? Sagen Sie es mir!« Die Wut kehrte zurück.
    Zuspruch hatte sie von ihm erwartet und ein paar freundliche Worte. Vielleicht sogar ein paar Mark als Starthilfe für die nächste Zeit. Aber Vorwürfe – darauf konnte sie verzichten, die bekam sie jeden Tag zur Genüge zu hören.
    Moritz grinste mit einem Mal, als bereite ihm etwas diebischeFreude. »Warum kommst du nicht von allein darauf? Du hast doch vorhin selbst gesagt, dass ich ohne dich nicht zurechtkomme – also, was ist die logische Schlussfolgerung? Du ziehst auf den Moritzhof und machst mir den Haushalt!«
    Rosanna verharrte sprachlos, während Karl Moritz mit großer Selbstverständlichkeit weiterredete.
    Â»Natürlich gibt es gewisse Regeln, die du einhalten müsstest – in mein Leben lass ich mir nämlich von niemandem reinreden. Ich bin nicht wie die alten Breuers, die sich vorschreiben lassen, was sie wann zu essen haben und wann es Zeit ist, ins Bett zu gehen. Solange ich lebe, bleibe ich mein eigener Herr!«
    Angesichts dieses Ausbruchs musste Rosanna lächeln. »Die Person, die Ihnen etwas vorschreiben könnte, müsste in der Tat erst noch geboren werden!«
    Der alte Mann nickte zufrieden. »Hör zu, hier hättest du ein Dach über dem Kopf, könntest in aller Ruhe dein Kind zur Welt bringen, und was die unten im Dorf dazu sagen, braucht dich nicht zu interessieren. Von mir aus kannst du gleich hier bleiben – sollen sie doch sehen, wie sie ohne dich zurechtkommen, die Flegel!« Seine Faust donnerte wieder auf den Tisch.
    Rosanna war bei Karls Rede ganz schwindlig geworden.
    Zu Karl Moritz ziehen?
    Zu Franziskas Vater?
    Das war ja verrückt!
    Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was seine Tochter dazu sagen würde.
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Karl: »Franziska soll bloß ihren Mund halten. Unten in ihrem Hotel « – spöttisch betonte er dieses Wort –, »da kann sie ihr Kommando führen, aber das hier ist mein Haus, hier bestimme immer noch ich!«
    Er zog den Stöpsel aus der Schnapsflasche und wollte Rosannas Glas erneut füllen, doch sie winkte ab. Tausend Fragen und Gedanken summten wie ein Schwarm Bienen durch ihren Kopf, da brauchte sie keinen Alkohol mehr!
    Â»Und noch etwas: Bei mir wird keiner ausgebeutet. Ich würdedir ein kleines Entgelt für deine Arbeit bezahlen.« Er verstummte, trank den Schnaps und klopfte dann seine Pfeife aus, um sie neu stopfen zu können.
    Karls würziger Pfeifenrauch breitete sich über dem Tisch aus.
    Rosanna zwang sich, das Summen in ihrem Kopf zu ignorieren und über Karls Vorschlag nachzudenken.
    Ein Leben auf dem Moritzhof würde bedeuten, Zacharias nicht mehr zu sehen, ihm aber gleichzeitig nahe zu sein – dieser Gedanke versetzte ihr einen Stich in der Brust.
    Und dann seine Eltern … Mit einem Hauch Genugtuung stellte Rosanna fest, dass die Vorstellung, wie fuchsteufelswild Franziska auf diese neue Situation reagieren würde, ihr nicht unangenehm war.
    Aber konnte sie sich ein Leben hier oben vorstellen? Karl Moritz war kein einfacher Mensch – stur, eigensinnig, rechthaberisch …

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