Antonias Wille
Naturschänder gerettet! Bei mir muss kein Baum sterben, nur weil jemand glaubt, ihn in einer EisengieÃerei oder einer Glashütte verfeuern zu müssen. Bei mir bekommen Bäume einen Platz zum Leben!«
Unwillkürlich musste Rosanna lächeln. Der ganze Küchenboden war mit feinem Sandstaub und kleinen Steinbrockenübersät. Die Tischplatte hatte dort, wo Moritz achtlos sein Werkzeug abgelegt hatte, ein paar neue Kratzer abbekommen.
»Ich sehe schon, Sie haben wieder einmal ganze Arbeit geleistet.« Nicht zum ersten Mal fragte sich Rosanna, wo und wie der alte Mann das Geld für seine Landkäufe auftrieb, auch wenn die kargen Hügel und abgeholzten Waldstücke nicht viel kosten konnten. Ob die Schwarzbrennerei tatsächlich so viel abwarf? Seufzend schnappte sie sich Besen und Kehrschaufel und ging in die Hocke.
»Was würden Sie nur ohne mich machen? Wahrscheinlich wäre das ganze Haus in kürzester Zeit zu einem Saustall verkommen!«
Im nächsten Moment fiel ihr die Schaufel aus der Hand, und Tränen brannten in ihren Augen. Dies war ihr letzter Besuch auf dem Moritzhof â danach würde tatsächlich alles verlottern! Rosanna kauerte auf dem Boden, ihr Herz war ein eisiger Klumpen. Sie hatte das Gefühl, nie mehr aufstehen zu können.
»Rosanna ⦠Mädchen!« Schwerfällig beugte sich Moritz zu ihr hinunter, klopfte ihren Rücken und murmelte beruhigende Worte. Irgendwann zeigten sie Wirkung.
Rosanna schaute auf. »Es ⦠es ist alles so schrecklich. Ich weià nicht mehr weiter«, schluchzte sie.
Rosanna erzählte Karl alles. Sie begann mit der Zeit im April, wo zwischen ihr und Zacharias plötzlich alles anders wurde. Damals, als Gustav Breuer seinen Unfall gehabt hatte. Die Worte kamen zuerst zögerlich. Gleichzeitig empfand sie eine tiefe Erleichterung, endlich einmal alles loswerden zu können. Im Gegensatz zu Simone, die ständig irgendeine giftige Bemerkung machte, wenn sich Rosanna ihr anvertraute, hörte Karl Moritz stumm zu. Als zwischendurch die Turbine und mit ihr das Licht ausging, wäre er normalerweise sofort nach drauÃen gelaufen, um nach dem Rechten zu schauen. Heute schien er gar nicht zu bemerken, dass es plötzlich um sie herum dunkel wurde. Nur seine Lippen, die er so fest um seinePfeife presste, dass sie ganz weià waren, zeigten, dass er nicht eingeschlafen war.
Zum Schluss erzählte Rosanna von dem Gespräch mit den Breuers. Dann sagte sie: »Ich habâs versucht! Ich wollte vernünftig sein und einfach weitermachen wie bisher. So tun, als wäre nichts geschehen. Aber ich schaffe es nicht! Immer muss ich an das Kind denken und was mit ihm geschehen soll, wenn es erst einmal auf der Welt ist.« Unter tränenschweren Lidern schaute sie zu Karl empor. »Franziska macht es mir ganz und gar nicht leicht. Sie behandelt mich wie Luft! Und wenn sie mal mit mir redet, dann guckt sie mich gar nicht richtig an. Als ob ich über und über mit Schmutz besudelt wäre!« Rosanna musste schlucken. »Und Zacharias ⦠Natürlich verstehe ich, dass er mit alldem überfordert ist. Trotzdem ⦠Ich hab das Kind nicht allein gemacht! Da kann Zacharias doch nicht so tun, als wäre nichts geschehen! Wenn er drauÃen beim Holzspalten ist, höre ich ihn manchmal sogar ein Liedchen pfeifen. Oder mit Anton scherzen. Mir ist so schwer ums Herz, und er merkt es gar nicht.« Der Kloà in ihrem Hals wurde dicker, und die Tränen strömten erneut über ihre Wangen. »Nie nimmt er mich in den Arm«, schluchzte sie. »Und wenn ich mit ihm reden will, hat er ständig etwas zu tun. Früher hat er doch auch Zeit gehabt! Wie kann er sagen, dass er mich lieb hat, und gleichzeitig so gemein sein? Ach, am liebsten wäre ich tot!«
Rosannas Blick wanderte zum Fenster und nach drauÃen, wo gerade ein Schwarm Krähen vorüberflog. Mutlos schaute sie den Vögeln nach.
Gestern war die Wirtin zu ihr gekommen und hatte erneut von der Amme erzählt, die ein paar Dörfer weiter wohnte. Sie habe derzeit lediglich einen Bastard in ihrer Obhut, hatte Franziska gesagt, und wäre deshalb bereit, sich Rosannas Kind anzunehmen. Dabei hatte sie Rosanna verschwörerisch zugezwinkert.
Rosanna wimmerte leise. Allein der Gedanke ⦠Ihr war, als würde jemand ein Messer in ihr Herz stechen und darin herumbohren.
»Ich hab geglaubt,
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