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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Das Haus war jedoch groß genug, sodass sie sich wenn nötig aus dem Weg gehen konnten. Außerdem war er ständig beschäftigt, und sie würde ihn wahrscheinlich gar nicht allzu oft zu Gesicht bekommen.
    Wie ihr Alltag aussehen würde, das konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen. Es bedeutete, den ganzen Tag allein zu sein. Keine Gäste, kein Schwatz mehr auf der Dorfstraße. Andererseits: Wer von den Rombachern würde mit ihr noch plaudern wollen, wenn ihr Bauch erst einmal anschwoll?
    Wenn sie hier leben würde, konnte sie sich jeden Tag in Ruhe ein Zimmer oder eine Ecke des Hofes vornehmen und sauber machen. Und nächstes Frühjahr würde sie vielleicht den Gemüsegarten wieder herrichten – Arbeit gab es hier oben weiß Gott genug.
    Aber war das nicht alles zweitrangig?
    Viel wichtiger war, was Karl gesagt hatte: »Hier könntest du in aller Ruhe dein Kind zur Welt bringen.«
    Rosanna spürte, wie ein warmer Schauer ihren Rücken hinablief.
    Ihr Kind – hier war es erwünscht.
    In Karl würde es sogar einen Großvater haben. Und in Simone eine Tante. Das wäre eine schön zusammengestückelte Familie! Ein müdes Lächeln schlich über Rosannas Gesicht. Aber es wäre ihre Familie.
    Simone würde Augen machen, wenn sie erfuhr, was für ein großzügiges Angebot ihr Großvater Rosanna gemacht hatte. Sicher ließ es sich einrichten, dass sie ihnen hin und wieder einen Besuch abstattete. Oder dass sie sich irgendwo auf halbem Weg trafen. Nur eines stand fest: In den »Fuchsen« würde Rosanna nie mehr einen Fuß setzen!
    Ein hysterisches Kichern drang aus ihrer Kehle, und es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder gefangen hatte. »Ich … Es ist so verrückt … Vor einer Stunde wusste ich nicht mehr aus noch ein, und dann kommen Sie daher und brüten eine perfekte Lösung für meine Probleme aus!«
    Sie biss sich von innen auf die Wange, um ein weiteres Kichern zu unterdrücken, und merkte, wie die Anspannung der letzten Wochen langsam von ihr wich. Plötzlich gab es nur noch eine Frage: Sollte sie Ja sagen – oder sollte sie nicht?
    Rosanna atmete ein letztes Mal tief durch, dann streckte sie Karl Moritz ihre rechte Hand entgegen. »Einverstanden! Ich werde gern Ihre Haushälterin, aber nur, wenn Sie das mit dem Entgelt wieder vergessen!«

23. November 1900
    Nun bin ich schon seit zwei Wochen Witwe. Und was habe ich seitdem getan? Nichts, außer mich um Bubi zu kümmern und zu schreiben. Über die Vergangenheit zu schreiben, als gäbe es kein Morgen mehr …
    Letzte Nacht hat es geschneit. Karl, du hast den Winter geliebt, hast immer gesagt, der Wald besäße dann einen ganz besonderen Zauber. Ja, so ist es wirklich: Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich die Schneekristalle im Mondlicht wie Sterne auf den Bäumen glitzern. Und die Bäume mit ihren weißen Mützen schimmern wie glühende Kerzen.
    Ach, Karl, warum hast du nicht noch ein Weilchen bei mir bleiben können?
    Ein Stern funkelt plötzlich hell ins Fenster. Ja, Karl, ich verstehe deine Nachricht, du hast Recht, ich muss mich zusammenreißen. Ich bin nicht allein auf der Welt. Bubi ist auch noch da. Der kleine Karl, den ich nach dir benannt habe, weil du ihm deinen Familiennamen gegeben hast, indem du mich heiratetest.
    Karl Moritz junior – das arme Kind! Es hat derzeit nicht viel von seiner Mutter. Wir waren zwar heute draußen im Schnee, haben herumgetollt wie zwei junge Hunde, aber Bubi spürt, dass ich mit meinen Gedanken woanders bin. Ich bin bei dir, Karl, und bei meinen Aufzeichnungen, mit denen ich einen großen Teil meiner leeren Tage fülle.
    Heute war Stanislaus Raatz da und hat drei Stunden lang Holz für mich gehackt. Er kommt jede Woche, bringt mir Butter und Mehl und auch mal ein Stück Fleisch. Sogar im Spicher war er und hat nachgeschaut, ob die Kartoffeln noch ausreichen. Er ist eine gute Seele und hat mit mir geschimpft, weil ich so mager geworden bin. Aber wenn mir nun einmal der Sinn nicht nach Essen steht?
    Das Einzige, was mir in diesen Tagen hilft, ist dieses Tagebuch.
    Du hattest Recht, Karl, es tut gut, sich alles von der Seele zu schreiben. Wenn ich meine Feder in die Tinte tauche, merke ich schon, wie sich meine Gedanken sammeln, wie der Schmerz und die Einsamkeit von mir weichen und ich mich ganz auf meine Aufgabe

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