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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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konzentriere. Du hast mir einmal erzählt, wie wichtig Rituale für uns Menschen seien – das Öffnen des Tintenfasses ist für mich zu einem wichtigen Ritual geworden, das mir Kraft und Mut zum Weitermachen gibt.
    Simone war heute auch wieder da. Sie kommt jeden Tag, und ich bin sehr froh darüber. Ich war schon oft allein in meinem Leben, aber nun bin ich wirklich einsam. Ausgerechnet jetzt lässt sich keiner von den Männern blicken, die sonst so gern unsere »Gastfreundschaft« in Anspruch genommen haben! Glauben sie etwa, dass diese nicht mehr gilt, nun, da der Herr des Hauses tot ist? Andererseits wäre mir auch nicht recht wohl bei dem Gedanken, dass einer von denen hier oben nächtigt und ich ganz allein mit ihm bin. Sicher, bisher haben sich alle als mehr oder weniger redliche Gesellen erwiesen, aber vielleicht nur, weil sie wussten, dass mit Karl nicht zu spaßen ist.
    Simone hat erzählt, dass ihre Mutter wieder auf dem Rombacher Rathaus gewesen ist und dass die Gehilfin des Ratsschreibers ihr eröffnet hat, der gnädige Herr stünde ab dem 6. Dezember wieder zu Diensten. Also noch zwei Wochen Gnadenfrist. Mir bleibt nichts übrig, als abzuwarten, was bei der Testamentseröffnung herauskommt.
    Hast du wirklich für mich gesorgt, Karl? Oder bin ich vom Nikolaustag an heimatlos? Nun, ich sollte wohl ein wenig mehr Vertrauen zu dir haben. Du warst zwar ein altes Schlitzohr, aber auf deine Art ein Ehrenmann. Das habe ich in dem Moment verstanden, als du mir das Angebot machtest, zu dir auf den Moritzhof zu ziehen. Das war im November 1898 …
    Natürlich blieb ich nicht gleich oben, schließlich hatte ich noch meine Sachen im »Fuchsen«. Viel war es nicht: meine Kleider undein paar Kleinigkeiten, die Gäste mir geschenkt hatten. Am wichtigsten waren mir jedoch die Papiere über meine Geburt, die ich aus der Köhlerei mitgenommen hatte – vielleicht werde ich die später noch einmal brauchen.
    Und natürlich wollte ich auch noch einmal zurück, um mich von Simone zu verabschieden.
    Sie würde mit meiner Entscheidung nicht einverstanden sein, das wusste ich. Erst am Vorabend war sie ganz aufgeregt zu mir in die Kammer gekommen, weil sie glaubte, eine Lösung für mein Problem gefunden zu haben: Anton könne mich doch heiraten! Gegen eine Hochzeit mit ihm hätten die Eltern bestimmt nichts einzuwenden. Wo er doch sowieso nichts erben und sein Leben lang als Knecht bei Zacharias arbeiten würde. Als ich Simones feuerrote Wangen sah, die freudige Glut in ihren Augen, wurde ich so wütend, dass ich kein Wort herausbrachte. Ich packte sie nur grob am Arm und schob sie aus meiner Kammer. Doch kaum war sie weg, tat sie mir schon Leid. Ihre dumme Idee war aus purer Verzweiflung geboren, das wusste ich. Durfte ich ihr deswegen böse sein?
    Es fiel mir schwer, an jenem letzten Abend im »Fuchsen« so zu tun, als ob nichts wäre. Mit jedem Essen, das ich servierte, wurde ich wehmütiger. Es war schon ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass ich keinen einzigen Gast wiedersehen, keinen einzigen Teller Suppe mehr servieren würde. Und dann Zacharias hinter dem Tresen … Nie mehr würde ich seinen verlangenden Blick auf mir spüren. Nun ja, viel Verlangen war da in den letzten Wochen ohnehin nicht mehr gewesen, eher der stille Vorwurf, dass ich ihm Scherereien bereitet hatte.
    Wer würde von nun an im Wirtshaus bedienen? Simone? Oder Franziska selbst? Ich zwang mich, nicht darüber nachzudenken. Für mich gab es in diesem Haus keinen Platz mehr, alles andere ging mich nichts an.
    Endlich war auch der letzte Gast fort. Auf der Treppe flüsterte ich Simone zu, dass ich ihr etwas erzählen müsse. Als sie kurze Zeit später in meiner Kammer stand, wusste ich zunächst nicht, wie ichanfangen sollte. Schließlich platzte ich mit meiner großen Neuigkeit einfach heraus. Doch Simone begann gleich wieder eine Hasstirade auf ihren Bruder, der mich in diese Lage gebracht hatte. Obwohl ich selbst mindestens genauso wütend und enttäuscht von ihm war, tat es mir weh, sie über Zacharias schimpfen zu hören. Dann fragte sie mich: »Wie kannst du bloß zu diesem schrecklichen alten Mann ziehen wollen?« Auf meine Gegenfrage, welche Möglichkeit ich denn sonst hätte, blieb sie mir eine Antwort schuldig, umklammerte nur fest meine Hände und flehte mich an zu bleiben. Ich erklärte

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