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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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vor Anstrengung der Schweiß auf der Stirn stand, schalt er sie. »Das Leben besteht nicht aus Arbeit allein«, sagte er dann.
    Aus diesem Grund bestand er auch darauf, dass sich Rosanna täglich nach dem Mittagessen im Lesen und Schreiben übte. Nicht, dass er sie dazu hätte zwingen müssen. Sie selbst konnte es kaum erwarten, aus dem großen Schrank in der guten Stube ein Buch für die tägliche Übungsstunde auszuwählen.
    Karl Moritz’ Bibliothek war gut ausgestattet: Gedichtbände drängten sich neben Büchern, zwischen deren Deckeln sich Beschreibungen und bunte Abbildungen aller heimischen Pflanzen befanden. Berichte von weit gereisten Zeitgenossen standen Seite an Seite mit Kinderbüchern. Dass es so viele Bücher gab! Rosanna war fassungslos. Was als Übel begonnen hatte, wurde bald zur Leidenschaft: Sie wollte lesen, lesen, lesen. Sie solle auch beginnen, täglich Tagebuch zu schreiben, forderte Karl sie auf und schenkte ihr dafür ein in dicke schwarze Pappe gebundenes Notizbuch. Das sei nicht nur eine hilfreiche Übung, sondern auch dabei dienlich, die eigenen Gedanken zu ordnen. Doch Rosanna wusste nicht, ob sie ihre Gedanken überhaupt ordnen wollte, Gedanken, die wie flüchtige Diebe noch viel zu oft hinunter ins Dorf, in den »Fuchsen«, zu Zacharias liefen. Deshalb blieben die Seiten jungfräulich weiß. Für ihre Schreibübungen reichten ihr lose Blätter, auf deren Vorderseiten Karl Zeichnungen und Entwürfe für seine Gerätschaften gekritzelt hatte.
    Beim Abendessen kamen sie oft noch einmal auf das Buch zu sprechen, dessen Seiten Rosanna am Nachmittag studiert hatte.Karl Moritz war ein intelligenter Mann, der sich zu jedem Thema eine eigene Meinung bildete, auf der er dann allerdings ziemlich stur beharrte. Während Rosanna vor dem geschriebenen Wort eine kindliche Ehrfurcht besaß, hielt er vieles von dem, was geschrieben stand, für schlichten Humbug.
    Rosanna las ihm einmal aus einem Buch mit dem Titel »Das brave Kind« das Kapitel »Wie man Kinder vor den Gefahren des Lebens schützt« laut vor:
    Â»â€¦ Die gute Mutter sollte recht erfinderisch sein, wenn es darum geht, dem Kinde Angst einzujagen. So erzähle sie die Geschichte des Nachtkrabbs oder der blinden Näherin, die Kinder sticht, wenn diese nicht bei Dunkelheit zu Hause sind …«
    Â»Kindern unnötig Angst einzujagen – was für ein Blödsinn!«, knurrte Karl daraufhin verächtlich.
    Rosanna, die selbst auch mit solchen Geschichten aufgewachsen war, wollte wissen, was daran falsch sei.
    Â»Alles«, erwiderte der alte Mann. »Es macht doch viel mehr Sinn, Kinder über die tatsächlichen Gefahren der Dunkelheit aufzuklären. Nämlich, dass sie einen falschen Schritt tun und einen Berg hinabstürzen oder in eine Wildererfalle treten könnten. Oder dass sie im Wald einer aufgebrachten, säugenden Bache begegnen können. Oder sich im Nebel verlaufen. Das muss ein Kind wissen, dann passt es von selbst auf sich auf!«
    Ein anderes Mal schrieb Rosanna gerade eine Passage aus einem Buch über die Geografie des Schwarzwaldes ab, als Moritz sie unvermittelt fragte: »Spürst du es auch? Wie frei der Geist hier oben auf dem Berg ist? Hier, wo der Mensch nicht so eingezwängt ist wie unten im Dorf, fällt einem das Denken leichter. Zumindest sollte man das annehmen«, fügte er im gleichen Atemzug hinzu und runzelte kritisch die Stirn, als er sah, dass sich Rosanna wieder einmal verschrieben hatte.
    Vor lauter Konzentration auf das Lesen oder Schreiben hörte sie ihm oft nur halbherzig zu. Doch manchmal, wenn sie abends allein im Bett lag, fielen ihr Karls Bemerkungen wieder ein. Dann fragte sie sich, was wohl Simone oder Zacharias oderandere Leute zu seinen Ansichten sagen würden, obwohl sie die Antwort darauf im Grunde längst kannte: Die Leute unten im Dorf hielten Moritz für einen alten Spinner, über dessen Geschwätz sich das Nachdenken nicht lohnte.
    Nach dem Abendessen ging Karl Moritz oft noch in die Scheune oder den Spicher. Rosanna dagegen befahl er ohne ein Wort der Erklärung, das Haus nach Anbruch der Dunkelheit nicht mehr zu verlassen. Ein wenig ärgerte es sie schon, dass er glaubte, sie würde nichts von den nächtlichen Besuchen mitbekommen. So bat sie ihn eines Abends, seinen Gästen unbekannterweise Grüße auszurichten, woraufhin er sie

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