Antrag nach Mitternacht
natürlich küsste er sie nicht. Stattdessen trat er einen Schritt nach hinten, und sie sah, dass sein Gesicht wieder den gewohnten reservierten Ausdruck angenommen hatte. Da war nichts mehr von dem zu entdecken, was sie für einen Moment zu sehen geglaubt hatte. Es musste etwas mit dem Licht der Kerzen zu tun gehabt haben und mit den Schatten, die es warf. Anscheinend hatte Fenton in dem Bestreben, ihre Finanzen zu schonen, einfach nicht genügend Kerzen angezündet.
„Mich überrascht, dass Sie zu diesem Anlass keine Feier veranstalten“, sagte Rochford eine Spur zu förmlich.
Francesca wandte sich ab, da sie mehr damit beschäftigt war, gegen das Kribbeln in ihrem Bauch anzukämpfen, als auf seine Bemerkung zu reagieren. Nein, sie würde nicht länger über diesen albernen Traum nachdenken. Der war ohne Bedeutung, und abgesehen davon war Rochford gar nichts von diesem bekannt. Folglich gab es für sie auch keinen Grund, sich verlegen oder unbehaglich zu fühlen.
„Seien Sie nicht albern“, erwiderte sie schließlich energisch, setzte sich und bedeutete ihm, ebenfalls Platz zu nehmen. „Ich habe inzwischen das Alter erreicht, in dem man andere Leute nicht auch noch darauf hinweist, dass man nicht jünger wird.“
„Aber Sie verweigern so jedem die Möglichkeit, Ihre Anwesenheit hier zwischen uns gewöhnlichen Sterblichen zu feiern.“
Sie sah ihn leicht mürrisch an. „Jetzt tragen wir aber ein bisschen dick auf, nicht wahr?“
„Meine liebe Francesca“, konterte er und lächelte ironisch. „Sicher werden Sie daran gewöhnt sein, als göttlich bezeichnet zu werden.“
„Nicht von einem Mann, der stadtbekannt dafür ist, bei der Wahrheit zu bleiben.“
Er lachte leise. „Ich kapituliere, da ich offensichtlich meinen Meister gefunden habe. Mir ist durchaus bewusst, dass es für mich unmöglich ist, das letzte Wort zu haben, wenn ich mir ein geistiges Kräftemessen mit Ihnen liefere.“
„Schön, dass Sie es wenigstens zugeben“, meinte sie lächelnd. „Nun denn … ich glaube, Lady Althea wartet bereits auf uns.“
„Ja, natürlich.“ Die Aussicht darauf, Althea wiederzusehen, schien ihn nicht in dem Maß zu interessieren, das Francesca sich erhofft hatte. Andererseits war ihr von vornherein klar gewesen, dass dies ein langer und mühseliger Kampf mit Rochford werden würde. Er war nicht dafür bekannt, leicht auf Veränderungen einzugehen, und es würde viel Zeit und Mühe kosten, um ihn von dem Weg abzubringen, dem er seit Jahren gefolgt war. Außerdem konnte sie ja noch gar nicht mit Gewissheit sagen, dass Lady Althea die richtige Frau für ihn war.
Unwillkürlich musste sie an die Äußerung denken, die Irene neulich gemacht hatte. Althea Robart war offen gesagt ein wenig versnobt, und auch wenn das für eine Duchess eine durchaus passende Eigenschaft war, musste sich Francesca dennoch fragen, ob Rochford mit einer solchen Frau wirklich glücklich werden würde. Er war natürlich in der Lage, den Umständen entsprechend sein „Duke-Gesicht“ aufzusetzen, wie seine Schwester Callie es nannte, aber die meiste Zeit über nahm er sich nicht allzu ernst. Er besaß die Fähigkeit, mit nahezu jedem Gesprächspartner auf jeder beliebigen gesellschaftlichen Ebene eine Unterhaltung führen zu können, und sie konnte sich an keinen einzigen Vorfall erinnern, bei dem ihm seine Ehre und Würde wichtiger gewesen waren, als einem anderen zuzuhören oder zu helfen.
Francesca warf ihm einen Seitenblick zu, als sie ihr Haus verließen und zu seiner eleganten Kutsche gingen. Allein dieses Gefährt war ein gutes Beispiel dafür, dass er nicht übermäßigen Stolz verspürte. So gut der Wagen auch gearbeitet und so teuer er auch gewesen war, prangte an den Seiten nicht das Wappen eines Dukes. Rochford hatte noch nie danach gestrebt, vom gewöhnlichen Volk verehrt zu werden, und er sah auch keine Notwendigkeit, alle Welt wissen zu lassen, wer er war und welchen Titel er trug.
Er half ihr beim Einsteigen in die geschlossene Kutsche und nahm ihr gegenüber Platz. Francesca lehnte sich auf dem luxuriösen Ledersitz zurück und legte ihren Kopf gegen das weiche Polster. Es war recht dunkel, und es kam ihr hier viel intimer vor als in ihrem Salon, da sie viel dichter beisammensaßen.
Sie erinnerte sich nicht daran, dass sie jemals mit Rochford ganz allein in einer Kutsche unterwegs gewesen war. Er hatte sich nie in der Rolle eines Begleiters an ihrer Seite aufgehalten, zumindest nicht seit jener kurzen
Weitere Kostenlose Bücher