Antrag nach Mitternacht
Anflug von Verlegenheit, während sie sich fragte, ob ihrem alten Diener dies aufgefallen war.
„Bitte führen Sie ihn zu mir“, sagte sie und setzte rasch die höfliche Miene auf, mit der sie jeden Gast in ihrem Haus empfing.
Augenblicke später betrat Rochford das Zimmer, das sofort etwas kleiner wirkte, kaum dass er hereingekommen war.
Francesca hatte geglaubt, auf seinen Besuch vorbereitet zu sein. Sie hatte viel Zeit verbracht, um sich zu überlegen, wie sie mit Blick auf das, was sich beim letzten Mal zwischen ihnen abgespielt hatte, bei einem Wiedersehen reagieren sollte – zumal sie jetzt von seinem offenkundigen Interesse an Lady Mary Calderwood wusste.
Als er ihr aber in Fleisch und Blut gegenüberstand, war es gar nicht mehr so einfach, sich so zu verhalten, wie sie es sich vorgenommen hatte. Sie musste an seine Küsse denken, und sie merkte, wie sie prompt errötete. Hastig wich sie seinen Augen aus.
Was ging ihm wohl durch den Kopf? Was empfand er, als er sie nun wiedersah? überlegte sie.
Sie zwang sich, ihn wieder anzusehen und zu ihm zu gehen, damit sie ihm die Hand zum Gruß entgegenstrecken konnte. „Rochford, was für eine angenehme Überraschung. Ich muss gestehen, ich hatte nicht mit Ihnen gerechnet.“
„Ach, tatsächlich?“ Er kam näher und musterte ihr Gesicht, während seine eigene Miene einmal mehr unergründlich war. „Und ich dachte, ich bin bereits so häufig zu Gast, dass meine Anwesenheit nichts weiter als ein ‚Oh, Sie schon wieder?‘ hervorruft.“
„Ich bin mir sicher, dass Sie nirgends eine solche Wirkung hervorrufen“, antwortete Francesca.
Seine Hand schloss sich um ihre, und er beugte sich nach vorn. Sie war sich seiner Berührung sehr bewusst, sie spürte die Wärme, die etwas rauere Haut auf ihrer zarten. Warum löste er bloß bei ihr solche Empfindungen aus, die sie bei niemandem sonst wahrnahm? Sie wünschte, er hätte ihr einen Handkuss gegeben, anstatt sich nur zu verbeugen.
Sie presste die Lippen zusammen und drehte sich weg, um auf eine Gruppe Stühle zu zeigen, die dicht beieinanderstanden. „Nehmen Sie doch bitte Platz. Kann ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?“
Er schüttelte den Kopf, und es folgte die übliche höfliche Konversation, bei der gegenseitig nach dem Befinden gefragt und über das Wetter geredet wurde. Sie waren der einhelligen Meinung, dass es schön war, Callie wiederzusehen, und sie bedauerten beide ihre bevorstehende Abreise.
Schließlich fand Francesca, dass genügend Zeit vergangen war, um das anzuschneiden, das ihr wichtiger war als alles andere. „Es freut mich zu hören, dass Sie sich mit Lady Mary getroffen haben.“
Er zog die Brauen ein wenig in die Höhe und lächelte flüchtig. „Tatsächlich? Erzählt man sich das über mich?“
„Nun, wie ich hörte, sind Sie mit ihr in Ihrem Phaeton ausgefahren.“
„Das ist richtig.“ Er sah sie weiter an, ein leichtes fragendes Lächeln umspielte seine Lippen. „Das ist wohl kaum ein Ereignis, das es wert ist, diskutiert zu werden.“
„Mein lieber Duke, jedes Zeichen einer Gunst von Ihnen wird aufmerksam zur Kenntnis genommen.“
Er gab einen unbestimmten Laut von sich.
„Dann verspüren Sie also eine Vorliebe für Lady Mary?“, forschte sie im nächsten Moment nach. Es war nicht ihre Art, solch direkte Fragen zu stellen, aber es kam ihr vor, dass sie gar nicht anders konnte.
Dennoch verriet sein Minenspiel nichts. „Sie ist eine angenehme junge Frau.“
Einmal mehr wurde ihr deutlich, dass Rochford die Gabe besaß, andere Menschen zur Weißglut zu bringen. Sie wollte keine von diesen grässlichen Frauen sein, die jedem neuen Tratsch hinterherliefen, doch es fiel ihr weitaus schwerer als gedacht, das Thema auf sich beruhen zu lassen. Warum gab er nicht einfach zu, dass er sich zu diesem Mädchen hingezogen fühlte?
„Ja, das ist wahr“, stimmte Francesca ihm zu. „Und recht intelligent.“
„So scheint es.“
„Aber ich darf annehmen, dass Sie weiterhin die anderen Möglichkeiten im Auge behalten, über die wir geredet haben.“
„Oh, selbstverständlich.“ Abermals war da dieses flüchtige Lächeln. „Aus diesem Grund komme ich heute auch zu Ihnen.“
„Tatsächlich? Möchten Sie mit mir über die fraglichen Frauen reden? Oder möchten Sie andere Alternativen in Erwägung ziehen? Sind Sie mit meiner Auswahl nicht zufrieden?“ Sie spürte, wie sich ihre Laune augenblicklich besserte. „Ich werde bestimmt noch andere Kandidatinnen für Sie
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