Antworten auf Fragen
talentiertes Volk und eine stümperhafte Regierung haben. Das Talent des Volkes erklärt sich höchstwahrscheinlich daraus, dass sich Idealismus und Materialismus, Wissenschaft und Religion, östliches und westliches Denken in der Seele des russischen Volkes vereinen konnten. Im Staat ist diese Harmonie bisher nicht verwirklicht, deshalb weist Russland abwechselnd mal eine Tendenz zum Rubel, mal zu den Idealen auf. Ich denke, dass gegenwärtig Russland als Staat zwei entgegengesetzte Denkweisen vereinen und eine neue schaffen kann. Umso mehr, als unser Land einen Präzedenzfall hat — die Reformen Peters des Großen.
Vor drei Monaten, im Sommer, begann mein Sohn immer wieder zu sagen: „Ich bin gut, ich bin gut.“
Ich fragte ihn: „Warst du denn früher schlecht?“
„Ich war früher schlecht, doch jetzt bin ich gut.“
Sagen Sie, womit kann das zusammenhängen, und nützt das dem Kind?“
Das erste Stadium, in dem wir begreifen, dass die Umwelt nicht schuld ist und dass es sinnlos ist, sie zu verurteilen, durchlaufen wir ziemlich schnell. Das zweite Stadium ist die Erkenntnis, dass auch wir keine Schuld haben und Selbstverachtung und Unzufriedenheit mit sich Aggression gegen Gott ist. Dieses Stadium zu überwinden ist ziemlich schwer und mühsam. Wenn wir begreifen, dass es keine Schuldigen gibt, durchlaufen wir langsam und mühsam die erste Phase, die „Lernen, die Liebe nicht zu töten“ genannt werden kann. Sie haben begonnen, sich zu ändern, doch die tiefe Unzufriedenheit mit sich, der Situation und Ihrem Schicksal ist stark. Ihr Sohn ist nach Ihnen geraten, und er versucht intuitiv, das Selbstvernichtungsprogramm in sich zu stoppen. Und wenn er wiederholt „Ich bin gut, ich bin gut“ äußert, werden seine Vorwürfe gegen sich blockiert, und das hilft ihm, die Liebe zu bewahren.
Ich erinnerte mich an diese Frage, als ich mich in der Israelischen Botschaft wegen eines Visums anstellte. Ich sollte in Israel einen Vortrag halten, die Leute erwarteten mich und einer der Organisatoren hatte mir eine Einladung geschickt.
Ich stand also wegen des Visums an und wartete auf den Bescheid. Am Vortag hatte ich ein Seitenstechen verspürt. Ich betrachtete, was das bedeutete: Eine Verurteilung von großen Menschengruppen, die sich in Israel aufhielten, fand statt. Mir war sofort klar, dass dies bedeutete, dass man mir das Visum nicht geben würde. Ich wusste also schon, dass ich kein Visum erhalten würde, stand an und versuchte, meine leichte Verärgerung zu beherrschen. Und plötzlich kam mir überraschend der Gedanke: „Das ist doch für mich eine gute Gelegenheit, an mir zu arbeiten.“
Noch wenige Tage vorher hatte ich den Patienten erklärt: „Eines der besten Mittel, mit einer Kränkung fertig zu werden, besteht darin, die Kränkung als hervorragende Möglichkeit zu betrachten, an sich zu arbeiten und sich zu ändern.“ In zehn bis fünfzehn Minuten würde ich die Ablehnung erhalten, und bei mir würde ein Gefühl der Kränkung und Unzufriedenheit aufkommen. Jetzt, solange sich die reale Situation noch nicht entfaltet hatte, schlief diese Emotion noch. Da fiel mir noch ein, dass ich in allen früheren Jahren nur mit Situationen gearbeitet hatte, die bereits vergangen gewesen waren. Ich hatte an meine Kränkungen und die Unzufriedenheit gedacht, hatte die Situationen erneut durchlebt und hatte mich in Ordnung gebracht. Doch die Emotionen der Erinnerungen waren hundertfach geringer als reale Emotionen. Und ich hatte dann Dutzend Mal die Situation durchgehen müssen, um mich in Ordnung zu bringen.
Also stellte ich mir vor, was für Emotionen mich in zehn bis fünfzehn Minuten beherrschen würden: Verärgerung über andere Menschen, Unzufriedenheit mit mir, der Situation und meinem Schicksal. Ich begann, mich darauf vorzubereiten, und wiederholte langsam: „Niemand ist schuld an meinen Unannehmlichkeiten. Gottes Wille geschehe. Ich bin nicht beleidigt und verurteile nicht andere Menschen. Gottes Wille geschehe.“ Die verbleibenden zehn Minuten beschäftigte ich mich damit, mich in Ordnung zu bringen. Mein Name wurde aufgerufen. Ich ging langsam zum Schalterfenster und blickte die Frau an, die mir mitfühlend die Papiere zurückgab:
„Sie haben nicht nachgewiesen, dass Sie von Verwandten eingeladen werden, deshalb können wir Ihnen kein Visum ausstellen.“
Ich ging weg und lächelte. Die erwartete Emotion war da. Ein Gefühl der Verärgerung und Kränkung begann mich zu erfassen. In Gedanken
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