Anubis 02 - Horus
hingelaufen, aber ich konnte nichts mehr machen. Sie war … da war so viel Blut, und …«
Bast legte ihr beruhigend die Hand auf den Unterarm, und wenigstens diese kleine, menschliche Geste tat ihren Dienst. Faye beruhigte sich nicht wirklich, aber sie schenkte ihr zumindest ein kleines, dankbares Lächeln.
»Du hättest nichts mehr tun können«, sagte sie.
»Außer dich vielleicht selbst umbringen lassen«, fügte Kate verächtlich hinzu. »Was hättest du gemacht, wenn der Kerl auch auf dich losgegangen wäre, Schätzchen?«
»Er war ja schon weg«, antwortete Faye.
»Ja, weil er so große Angst vor dir hatte, nicht wahr?«, versetzte Kate böse. Sie schüttelte den Kopf. »So was Dämliches! Wenn er nicht weggelaufen wäre, dann wärst du jetzt auch tot. Warum schneidest du dir nicht gleich selbst die Kehle durch? Das geht schneller als das, was der Kerl mit dir machen würde!«
»Lass sie in Ruhe«, mischte sich Marie-Jeanette ein. »Sie zittert ja jetzt noch vor Angst. Ich finde, was sie getan hat, war sehr mutig.« Direkt an Faye gewandt und mit einem leisen Lächeln fügte sie hinzu: »Ist schon gut, Kleines. Mach dir keine Vorwürfe. Du hättest nichts tun können. Und Liz hat bestimmt nichts gemerkt. So was geht ganz schnell.«
Bast hätte ihr sagen können, dass das nicht stimmte. An einer durchschnittenen Kehle zu sterben war ein leiser Tod, aber gewiss kein schneller. Wenn Liz Glück gehabt hatte, dann hatte der Schock sie das Bewusstsein verlieren lassen, aber sehr viel wahrscheinlicher war sie an ihrem eigenen Blut erstickt, qualvoll und über zwei oder drei Minuten hinweg, eine Ewigkeit, in der sie ihren Schmerz nicht einmal hatte hinausschreien können.
Trotzdem sagte sie: »Das stimmt. Wahrscheinlich hat sie gar nichts gespürt.«
»Na, du musst es ja wissen!«, schnaubte Kate und tauschte schon wieder einen jener eigenartigen Blicke mit Marie-Jeanette und der Fremden neben sich. »Ich finde, du stellst eine Menge Fragen für jemanden, der in dieser Gegend angeblich niemanden kennt und hier auch nicht herpasst!«
Bast ignorierte die kaum noch verhohlene Feindseligkeit in Kates Blick und wandte sich wieder direkt an Faye. »Hast du der Polizei erzählt, was du gesehen hast?«
»Es war doch nur ein Schatten.«
»Der Polizei?« Kate lachte hässlich. »Schätzchen, du hast wirklich keine Ahnung, wie das hier läuft, wie? Als ob die uns beschützen würden: Sie hätten Faye mitgenommen und erst mal ins Loch geworfen, und vielleicht würden sie sie nach einer Woche wieder gehen lassen – nachdem sie alle ihren Spaß mit ihr gehabt haben, heißt das.«
Bast spürte, wie bitterernst diese Worte gemeint waren, aber es fiel ihr trotzdem schwer, sie zu glauben. Ganz egal, was Maistowe auch von Abberlines Fähigkeiten als Polizist zu halten schien, er war ein grundehrlicher Mann, der seinem Beruf aus Überzeugung nachging. Sie schüttelte den Kopf und setzte zu einer entsprechenden Entgegnung an, doch Kate kam ihr abermals zuvor.
»Du hast wirklich nicht die geringste Ahnung, aber du stellst eine Menge Fragen, finde ich. Suchst du eigentlich immer noch nach Patsy, deiner Freundin? Ich meine: Sie ist doch deine Freundin, oder?«
Bast nickte. »Sicher. Warum fragst du?«
»Ich wundere mich nur ein bisschen«, antwortete Kate. »Weil, wenn sie wirklich deine Freundin ist, dann ist es schon irgendwie komisch, dass du sie nicht mal erkennst – wo sie doch die ganze Zeit neben mir sitzt.«
Bast starrte sie einen halben Atemzug lang einfach nur verwirrt an, dann wandte sie mit einem Ruck den Kopf und blickte in ein Gesicht, das ihr vertraut war wie ihr eigenes Spiegelbild.
»Hallo Bastet«, sagte Isis.
Bast hörte die Worte kaum. Sie konnte Isis nur anstarren, dieses so unendlich vertraute, nachtschwarze Gesicht unter einer ungebändigten dunkelroten Haarpracht, das einfach nicht zu übersehen war, und das sich selbst jetzt ihrem Erkennen nur deshalb nicht entzog, weil Isis es zuließ.
»Schön, dich nach so langer Zeit wiederzusehen«, fuhr Isis fort. »Und ich dachte schon, du willst mich nicht erkennen.« Sie legte den Kopf schräg. Das Lächeln blieb auf ihrem Gesicht, aber in ihren Augen erschien ein nachdenklicher, fast schon lauernder Ausdruck. »Bastet ist doch richtig, oder? Oder sollte ich Sachmet sagen?«
Wieder spürte Rast das Herannahen einer Woge saugender Schwäche, aber sie war plötzlich nicht einmal mehr sicher, ob diese Mattigkeit tatsächlich aus ihr selbst kam, oder ob
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