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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufgefressen hätte!
    »Warum? Sag nicht, du weißt nichts von Patsys Todesküssen.«
    »Patsys … Todesküssen?«
    »Es heißt natürlich nur so«, beeilte sich Faye zu versichern.
    Anscheinend war der Schrecken, den dieses Wort Bast eingejagt hatte, deutlich in ihrer Stimme zu hören gewesen. »Ein paar von den Jungs haben es so genannt.«
    »Was?«
    »Patsy macht das nicht oft, nur wenn sie einen Kerl nicht leiden kann … oder er ganz besonders aufdringlich ist. Aber ich hab’s einmal gesehen. Der Bursche wollte einfach keine Ruhe geben, bis Patsy ihm nicht wenigstens einen Kuss geben würde. Und dann hat sie ihn geküsst.« Sie hob die Schultern. »Der Kerl ist zusammengebrochen wie vom Blitz getroffen. Hat kaum noch geatmet, und es hat über eine Stunde gedauert, bis er wieder zu sich gekommen ist … und mehr als zwei, bis er auch nur wieder so weit auf den Beinen war, um nach Hause zu wanken. Hab den Kerl seither nie wieder hier im East End gesehen.«
    »Ja, das klingt ganz nach ihr«, murmelte Ben.
    »Bringst du mir den Trick bei?«, fragte Faye. »Damit könnte ich hier ganz groß rauskommen.« Als sie keine Antwort bekam, beugte sie sich tiefer über Roy, sah ihm aufmerksam ins Gesicht und tastete schließlich mit den Fingerspitzen nach seiner Halsschlagader, wie um sich davon zu überzeugen, dass er auch tatsächlich noch lebte.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte Bast. »Es wird schon bald hell.«
    »Und du musst vor Tagesanbruch wieder zu Hause sein, weil Sonnenlicht für dich tödlich ist«, vermutete Faye. »Was bist du – so ’ne Art Vampyr?«
    »Nein«, antwortete Bast ernst. »Woher kennst du dieses Wort?«
    »Stell dir vor, ich kann lesen«, antwortete Faye schnippisch. »Ich liebe diese deutschen Schauergeschichten. Aber ich glaube nicht, dass es so was wirklich gibt.«
    »Und damit hast du auch recht«, antwortete Bast. »Aber ich muss jetzt wirklich gehen. Ich bin schon viel zu lange hier. Ich habe meiner Zimmerwirtin versprochen, mich um etwas zu kümmern.«
    »Und den lässt du hier …«, Faye machte eine Kopfbewegung auf Roy, »… damit ich mich mit ihm amüsieren kann, wenn er wach wird?«
    »Natürlich nicht!« Bast riss die Decke endgültig herunter und gab Faye zugleich mit einer Kopfbewegung zu verstehen, sich nach Roys Kleidern zu bücken, die überall im Zimmer herumlagen – genauer gesagt, seine Jacke, das zerschlissene Hemd und seine Schuhe. Socken und Hose hatte er nicht mehr ausbekommen, bevor sie ihn auf das Bett hinabgezerrt hatte. Sie schlabberte um seine Knöchel, was einigermaßen lächerlich aussah … was allerdings auch schon fast alles war, was lächerlich an ihm wirkte. Dass Roy ein außergewöhnlich großer und kräftiger Bursche war, hatte sie schon vorgestern auf den ersten Blick gesehen, aber so, wie er jetzt dalag, vollkommen entspannt ohne den brutalen Ausdruck, den er anscheinend bewusst auf sein Gesicht zwang, war er durchaus gut aussehend und überdurchschnittlich gut gebaut, in jeder Hinsicht.
    Bast lauschte einen Moment lang in sich hinein, aber alles, woran sie sich – flüchtig – erinnerte, war seine kurze, aber unerwartet kräftige Umarmung und das unendlich erleichternde Gefühl, ihn zu nehmen, seine Kraft aus ihm herauszureißen und ihr eigenes, immer schneller schwindendes Reservoir damit aufzufüllen. Roy – ohne Roy in seinem Kopf- wäre vielleicht gar kein so übler Kerl gewesen; wäre er in einer anderen Stadt, unter anderen Bedingungen oder in einer anderen Zeit geboren, vielleicht wäre er sogar zu jemandem geworden, den sie hätte mögen können. Für einen Moment empfand sie nichts als Mitleid beim Anblick seines kräftigen Körpers und des entspannten Gesichts, und für denselben Moment sah sie beinahe den Mann vor sich, der er hätte werden können, nicht der, zu dem ein teilnahmsloses Schicksal ihn gemacht hatte.
    »Wenn du noch das eine oder andere mit ihm vorhast, kann ich auch gern wieder gehen«, sagte Faye schnippisch.
    Bast bedachte sie zur Antwort nur mit einem eisigen Blick und forderte sie mit einer ebenso wortlosen Geste auf, ihr dabei zu helfen, Roy wieder anzuziehen. Er wurde nicht wach und gab noch nicht einmal einen Laut von sich, und Faye hörte zwar nicht auf, sie mit einer Mischung aus Verachtung und stummer Empörung anzusehen, wirkte aber zugleich auch immer besorgter. Bast erging es – fast zu ihrem eigenen Erstaunen – nicht anders, und schließlich legte sie die flache Hand auf Roys Stirn und lauschte einen

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