Anubis 02 - Horus
Vorgehen ist reine Routine, in einem Fall wie diesem. Und wer ein gutes Gewissen hat, der hat schließlich auch nichts zu befürchten. Ich gehe im Moment nicht davon aus, dass Sie irgendetwas mit diesen schrecklichen Verbrechen zu tun haben.«
Bast ignorierte das »im Moment«. »Und warum bin ich dann hier?«, fragte sie.
»Ich habe Mr Monro von Ihnen erzählt, Bast«, sagte Abberline rasch, »und er ist genau wie ich der Meinung, dass Sie uns vielleicht bei der Aufklärung dieser Morde behilflich sein könnten.«
Auch das war zumindest nicht die ganze Wahrheit, wie Bast spürte, aber sie runzelte trotzdem nur die Stirn und fragte: »Wieso ich?«
»Sie stammen aus Ägypten, gnädige Frau?«, fragte Monro, bevor Abberline antworten konnte. Er wartete ihre Antwort auch gar nicht ab, sondern fuhr unmittelbar fort. »Nun, wie Sie vielleicht gehört haben, gnädige Frau, ist Scotland Yard für seine modernen Ermittlungsmethoden bekannt. Kluge Männer wie zum Beispiel Inspektor Abberline hier sind dafür bekannt, auch mit unkonventionellen Mitteln an einen Fall heranzugehen, und die Fakten aus … sagen wir: ungewöhnlichen Blickwinkeln zu hinterfragen.« Er warf Abberline einen Blick zu, der Bast beinahe drohend vorkam. »Inspektor Abberline hat Ihnen berichtet, dass es da gewisse Fakten gibt, über die wir die Presse und die Öffentlichkeit bisher nicht informiert haben?«
Bast unterdrückte den Impuls, Abberline einen fragenden Blick zuzuwerfen. Sie konnte spüren, wie unwohl er sich fühlte. »Sie meinen die Männer in Schwarz?«, fragte sie. »Die so aussehen wie ich?« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht mehr, als dass sie gesehen wurden … angeblich. Ich wüsste nicht, inwiefern …«
»Nicht angeblich«, unterbrach Monro sie kühl. »Sie wurden gesehen, von mehreren Zeugen. Man könnte sich nun durchaus fragen, ob es tatsächlich ein Zufall ist, dass Sie ausgerechnet jetzt hier auftauchen, gnädige Frau. Wie es der Zufall will, war ich früher in Indien und bin auf dem Rückweg durch Ihr Heimatland gereist; die Menschen dort sind mir also nicht gänzlich unbekannt. Eine Erscheinung wie die Ihre ist auch dort zumindest ungewöhnlich, stimmen Sie mir da zu?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Bast.
»Inspektor Abberline hat mir erzählt, dass Sie nach England gekommen sind, um nach einem Bekannten zu suchen?«, fragte Monro.
»Einer Bekannten«, verbesserte ihn Bast betont. »Genauer gesagt, meiner Schwester. Und ich kann Ihnen versichern, dass sie bestimmt nicht herumläuft und Menschen aufschlitzt.«
»Das glaube ich Ihnen gern«, antwortete Monro. »Ich würde Sie trotzdem bitten, Inspektor Abberline die Adresse dieser Dame zu geben.«
»Sobald ich sie herausgefunden habe«, antwortete Bast. »Ich bin hierhergekommen, um sie zu suchen.«
»Das heißt, Sie haben sie noch nicht ausfindig gemacht«, seufzte Monro. Und wissen also auch nicht, wo sie zu den fraglichen Zeitpunkten war. »Das ist bedauerlich. Dennoch …« Sein Blick wurde nachdenklich. »Lassen Sie mich noch einmal auf Ihre Kleidung zurückkommen, Miss Bast. Sie ist recht … ungewöhnlich. Symbolisiert sie möglicherweise die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Kaste?«
Bast sah ihn fragend an.
»Vielleicht einer religiösen Gruppierung?«
»Einer Sekte, meinen Sie?«
Monro wedelte unwillig mit seiner Zigarettenspitze. »Ich wollte damit keinerlei Wertung abgeben«, sagte er. »Nur sind diese Morde … recht bizarr. Sie könnten durchaus religiös motiviert sein. Sie wissen, dass dieser Wahnsinnige seine Opfer regelrecht ausgeweidet hat?«
»Er hat ihnen die inneren Organe entfernt, ja.« Bast nickte. »Inspektor Abberline hat so etwas erwähnt.«
Monros Blick wurde durchdringend. »Gab es diese Sitte in Ihrem Land nicht ebenfalls?«
»Vor langer Zeit, ja«, bestätigte Bast. »Zur Zeit der Pharaonen. Tatsächlich hat man den toten Pharaonen die inneren Organe entnommen, bevor sie einbalsamiert wurden … aber das ist dann doch ein kleiner Unterschied.«
»Das sehen Sie so, gnädige Frau, und ich, weil wir beide vernünftige und logisch denkende Menschen sind«, antwortete Mon ro. »Wenn man es mit, sagen wir, religiösen Fanatikern zu tun hat, verliert das Wort Logik leider Gottes manchmal nur zu schnell seine Bedeutung.«
»Religiöse Fanatiker?«
»Vielleicht auch einfach nur Verrückte«, sagte Monro. »Ich muss gestehen, dass wir im Moment ziemlich im Dunkeln tappen, aber wir gehen allen Hinweisen nach. Verstehen Sie mich
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