Anubis 02 - Horus
es ihn sichtliche Überwindung kostete, aber sie war schon erstaunt, dass er sie überhaupt aufbrachte – mit einem automatischen Schritt den Weg und schüttelte unsicher den Kopf. »Das … ist leider nicht möglich, Ma’am«, sagte er. »Ich meine … es ist … leider so, dass Frauen hier …« Seine Verwirrung war jetzt offensichtlich vollkommen, denn er brach hilflos ab und fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen.
»… keinen Zutritt haben?«, half Bast aus. Die Antwort bestand aus einem hilflosen Achselzucken, doch er rührte sich keinen Zoll von der Stelle.
Aber Basts Geduld war am Ende. »Das gilt nicht für mich«, sagte sie. »Lassen Sie mich vorbei!«
Aus dem Ausdruck von Verwirrung und Unschlüssigkeit in seinen Augen wurde abgrundtiefes und mit Schrecken gemischtes Erstaunen, als er mit einem hastigen Schritt beiseitetrat und den Weg freigab.
Rotes Licht und ein Durcheinander aus Geräuschen und zum größten Teil unangenehmen, ausnahmslos aber aufdringlichen Gerüchen schlugen ihr entgegen, als sie durch die Tür trat. Der Raum dahinter war unerwartet groß und hell erleuchtet, wenn auch von einem roten, flackernden Licht, das mehr Schatten als wirkliche Helligkeit schuf und es trotz allem schwer machte, überhaupt etwas zu erkennen. Die Wände verbargen sich hinter zerschlissenen Vorhängen aus falschem Samt und Streifen von besticktem Brokat, die nicht zusammenpassten, und eine Anzahl nicht minder zerschlissener und bunt zusammengewürfelter Sofas und Tischchen war wahllos im Raum verteilt. Überall brannten Kerzen und auch die eine oder andere Petroleumlampe – natürlich mit einem roten Schirm –, sodass es Bast schon fast wie ein kleines Wunder vorkam, dass das ganze Gebäude nicht längst in Flammen aufgegangen war, und inmitten der das Auge beleidigenden Unordnung an den Wänden gewahrte sie etliche amateurhaft gemalte Bilder eindeutigen Inhaltes. Gleich gegenüber dem Eingang saßen drei junge Frauen auf einer schmuddeligen Chaiselongue, alle drei aufdringlich geschminkt und mit wenig mehr als ihrer Unterwäsche bekleidet. Eine davon war fast noch ein Kind. Nein! Bast sah noch einmal hin und verbesserte sich: Sie war noch ein Kind. Und nur ein kleines Stück daneben stand ein zerschrammter Sekretär, hinter dem die fetteste alte Frau hockte, die Bast seit langer Zeit zu Gesicht bekommen hatte. Nebenbei bemerkt, auch so ziemlich die hässlichste.
Bast schätzte sie auf mindestens dreihundert Pfund, wenn nicht mehr. Das Haar hing ihr wirr in die Stirn, und ihr Gesicht war von einem Leben gezeichnet, in dem es nur Alkohol und andere, schädlichere Freuden und viel zu viele Jahre gegeben hatte, in denen sie ihren Körper und irgendwann, vermutlich ohne es selbst zu bemerken, auch ihre Seele verkauft hatte. Ihre Augen starrten Bast mit einem Misstrauen an, das schon so sehr Teil ihrer selbst geworden war, dass sie es selbst nicht mehr bemerkte, und für einen ganz kurzen Moment erschien ein Ausdruck von Überraschung und Erstaunen darin, dann wechselte er zu Zorn, als ihr Blick Basts Gesicht losließ und das des Türstehers hinter ihr fixierte.
»Was fällt dir ein, Ben …?«, begann sie, während sie bereits mit einem Ruck aufstand und mit kleinen, stampfenden Schritten und hörbar ächzend vor Anstrengung unter ihrem eigenen Gewicht um den Sekretär herumkam.
Bast brachte sie mit einer beiläufig wirkenden Geste zum Schweigen. »Das ist in Ordnung«, sagte sie. »Ich habe ihn gebeten, mich einzulassen.«
Das flächige, nur aus Falten bestehende Gesicht der Alten zeigte einen verwirrten, beinahe schon bestürzten Ausdruck, aber natürlich widersprach sie nicht, und nach einem weiteren Atemzug hörte Bast, wie die Tür hinter ihr ins Schloss gedrückt wurde. Sie hatte kein gutes Gefühl, zumal die drei Frauen auf der Couch plötzlich nicht nur überrascht, sondern geradezu fassungslos dreinblickten, aber sie hatte auch keine Zeit und erst recht keine Lust, sich mit der Alten herumzustreiten. So freundlich, wie sie nur konnte – was bedeutete, dass ihr Lächeln nicht halb so herzlich war wie das, welches sie gerade dem Kerl auf der Treppe geschenkt hatte –, sagte sie: »Bitte verzeihen Sie den Überfall. Ich bin auf der Suche nach einer Freundin, und man hat mir gesagt, dass ich sie vielleicht hier finden könnte.«
Sie wusste, dass Isis nicht hier war. Ganz gleich, wie gut sie sich auch zu verstecken versuchte, hätte sie sich in diesem Gebäude oder auch nur in der
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