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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihr, aber es war die Alte, die antwortete. »Niemand hat was mit der Kleinen gemacht, Schätzchen«, sagte sie scharf. »Sie is’ ’n bisschen müde, das ist alles. Hat sich wohl zu viel zugemutet, die Kleine. Schließlich is’ sie ja noch ’n halbes Kind.«
    Bast konnte nicht sagen, was sie im ersten Moment wütender machte: das, was die Alte und ihre Handlanger diesem unschuldigen Kind angetan hatten, oder die Kaltschnäuzigkeit, mit der sie über sie sprach, als wäre sie kein Mensch, sondern ein Ding, über das sie nach Belieben verfügen konnte. Sie beherrschte sich, aber es kostete sie fast alle Kraft, die sie aufbringen konnte. So sehr der Anblick des dunkelhaarigen blassen Mädchens auch ihr Herz anrührte – sie war nicht deswegen hier.
    »Also, deine Freundin is’ nich’ hier«, fuhr die Alte hinter ihr fort. Ihre Stimme war um einen Hauch schärfer geworden. »Niemand hat sie gesehen, und niemand kennt sie. Wenn deine Fragen damit beantwortet sind, kannst du wieder gehen.«
    »Ist es Ihnen unangenehm, über sie zu sprechen?« Bast stand auf, drehte sich betont langsam zu ihr herum und sah so kalt und abschätzig auf sie herab, wie sie nur konnte. Es zeigte nicht die geringste Wirkung. Offensichtlich gehörte die Puffmutter nicht zu den Menschen, die sich einschüchtern ließen und war innerlich genauso robust, wie ihr Äußeres vermuten ließ. Und mindestens ebenso verkommen.
    »Noch was?«, fragte sie in plötzlich fast drohendem Ton. »Zu viele Fragen zu stellen is’ nich’ gut fürs Geschäft, weißt du? Muss ich erst Ben rufen, damit er dir beim Rausgehen hilft?«
    Bast hatte nicht übel Lust, es darauf ankommen zu lassen, und sei es nur, um die Reaktion der Alten zu sehen, wenn sie ihren Muskelberg wirklich hereinrief und er ihr nicht nur galant die Hand küsste, sondern auch alle ihre Fragen brav und bis ins Detail beantwortete. Aber sie mahnte sich zur Ruhe. Dafür, dass sie nur ein paar diskrete Erkundigungen hatte einziehen wollen, hatte sie schon viel zu viel Aufsehen erregt.
    »Sind Sie ganz sicher, dass Sie sie nicht gesehen haben?«, fragte Bast ruhig. »Es ist sehr wichtig für mich, müssen Sie wissen. Überlegen Sie bitte noch einmal. Sie ist etwas kleiner als ich und hat langes schwarzes Haar, das sie gerne zu einer Frisur bindet, die man hier … einen Pferdeschwanz nennt, glaube ich. Sie muss vor ungefähr zwei Jahren gekommen sein.«
    »Nie jesehen«, beharrte die Alte. Und sie sagte die Wahrheit. Bast hatte ihre Frage nicht nur auf der Ebene des Hörbaren gestellt, und sie übte genug Druck aus, um sicher zu sein. Vielleicht mehr, als gut war.
    Doch sie bekam Hilfe von unerwarteter Seite. »Das könnte Patsy sein«, sagte die jüngere der beiden Frauen.
    Die Augen der Alten verengten sich zu zwei schmalen, ärgerlichen Schlitzen, die in der feisten Masse ihres Gesichtes beinahe verschwanden, und Bast drehte sich rasch wieder zu den beiden Frauen um, wobei sie es sorgsam vermied, das Mädchen zwischen ihnen auch nur anzusehen.
    »Patsy?«
    »Sie ist vor zwei Jahren aufgetaucht«, antwortete sie. »Ganz wie Sie es gesagt haben. Sie hat einen Job gesucht, aber sie war nicht lange hier. Nur ein paar Tage.«
    »Einen Job?«, wiederholte Bast ungläubig. »Sie hat eine Arbeit gesucht? Hier ?« Alles in ihr wollte die bloße Vorstellung empört von sich weisen.
    Und doch … es wäre möglich. Vollkommen absurd, aber möglich. Sie war schockiert.
    »Ich hab sie rausgeschmissen«, bestätigte die Alte. »Hat genau so ’ne jequirlte Kacke geredet wie du und die Kunden dumm angequatscht. So was kann ich hier nich’ gebrauchen.«
    »Sie hat schwarzes Haar und sieht Ihnen tatsächlich eine bisschen ähnlich«, fuhr die andere fort.
    »Nur, dass sie nicht schwarz ist«, sagte die Alte. Sie machte ein ordinäres Geräusch. »Und jetzt zieh endlich Leine, Schätzchen. Wenn du die Kleine willst, sie kostet zwei Pfund die Stunde. Wenn nicht, verschwinde von hier und halt uns nicht auf. Es sei denn, du willst in Wahrheit was ganz anderes.«
    »Und was könnte das sein?«, fragte sie ruhig.
    »Vielleicht suchst du ja auch Arbeit«, antwortete die Alte grinsend. Der Blick, mit dem sie Bast nun maß, wurde … taxierend, auf eine anzügliche Art, die ihr umso schlimmer erschien, als er von einer Frau kam. »Du redest zwar einen gotteslästerlichen Unsinn, aber so wie du aussiehst … Ich kenn da ein paar Gentlemen, die ’ne Menge Geld für ein Schäferstündchen mit dir springen lassen würden.

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