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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sonderbar gedrückter Stimmung, obwohl sie sich alle Mühe gab, sich nichts davon anmerken zu lassen. Bast konnte sie verstehen und sparte sich jede entsprechende Frage. Immerhin stand sie im Begriff, allem den Rücken zuzukehren, was ihr Leben bisher ausgemacht hatte, und sich auf ein Abenteuer vollkommen unberechenbaren Ausgangs einzulassen, und natürlich hatte sie Angst davor.
    Vielleicht spürte etwas in ihr auch, dass sie niemals zurückkehren würde.
    Bast hätte ihr diese Furcht nehmen können, um ihr wenigstens die letzten Stunden hier in London zu erleichtern, aber sie verzichtete ganz bewusst darauf. Auch Schmerz war etwas, worauf Menschen einen Anspruch hatten – und was sie heute Nacht und im Moment ihrer Abreise tun musste, das würde schwierig genug werden. Es war niemals ohne Risiko, die Erinnerungen eines Menschen zu manipulieren, und es war sehr leicht, dabei großen und nicht wiedergutzumachenden Schaden anzurichten.
    Es war vielleicht drei, und Bast stellte gerade die Schachfiguren auf dem Brett vor sich auf, um Cindy zu einer dritten Partie herauszufordern. Zwei vorausgegangene hatte sie verloren – was ihr ziemliche Mühe bereitet hatte, um es nicht zu deutlich werden zu lassen –, und Cindy zappelte auf ihrem Stuhl herum und konnte es gar nicht erwarten, den ersten Zug zu machen. Trotz ihrer inneren Unruhe lag ein Ausdruck höchster Konzentration auf ihrem Gesicht.
    »Und?« Maistowe kam aus der Küche geschlurft und warf einen neugierigen Blick auf das Schachbrett. Der weiße Verband um seine Stirn ließ ihn noch blasser erscheinen, und unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Die schlaflose Nacht hatte Spuren hinterlassen. Trotzdem lächelte er und war spürbar gelösterer Stimmung als gestern. »Wie schlägt sie sich?«
    »Gut«, antwortete Bast wahrheitsgemäß. »Sogar sehr gut. Sie ist ein Naturtalent.«
    »Das ist gelogen«, behauptete Cindy.
    »Dass du ein Naturtalent bist?«
    »Dass ich mich gut schlage.« Cindy stülpte beleidigt die Unterlippe vor und sah dadurch aus wie ein albernes Kind, das sie in diesem Augenblick auch war. »Sie lässt mich gewinnen. Und sie glaubt auch noch, ich merke es nicht!«
    Maistowe legte fragend die Stirn in Falten, und Bast machte gehorsam ein ertapptes Gesicht. »Das ändert nichts daran, dass du gut spielst«, sagte sie. »Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich dir die Regeln vor kaum einer Stunde erst beigebracht habe.«
    Jetzt war Maistowe ehrlich beeindruckt. »Als ich das Schachspielen gelernt habe, hat es zwei Tage gedauert, bis ich die Figuren auch nur richtig aufstellen konnte«, sagte er.
    »Ist doch leicht«, antwortete Cindy. »Bast ist eben eine gute Lehrerin.« Sie machte ein gewichtiges Gesicht. »Sie hat mir erzählt, dass dieses Spiel über zweitausend Jahre alt ist.«
    »Ich weiß«, sagte Maistowe. »Und es ist immer noch gut.«
    »Aber wusstest du auch, dass ihr Volk es erfunden hat?«, fragte Cindy triumphierend.
    »Nein«, sagte Maistowe.
    »Ist aber so!« Cindy nickte heftig. »Kein Wunder, dass sie es so gut kann, nicht wahr? Aber ich lerne es schon, keine Sorge.« Sie machte ihren ersten Zug, kaum dass Bast die letzte Figur auf das Brett gestellt hatte, und sah sie herausfordernd an. »Wehr dich, wenn du dich traust!«
    Als Bast nach ihrem Königsbauern greifen wollte, schüttelte Maistowe den Kopf. »Vielleicht später«, sagte er. »Ich fürchte, im Moment muss ich euer Spiel leider unterbrechen.«
    »Wieso?«, fragte Bast.
    »Weil Cindy und ich noch einmal fortmüssen«, sagte Mrs Walsh, die in diesem Moment ebenfalls aus der Küche kam. »Nicht für lange, keine Sorge. Wir sind in einer Stunde zurück.«
    »Warum?«, fragte Cindy misstrauisch. »Und wohin?«
    Mrs Walsh kam lächelnd näher und zupfte an ihrem Ärmel. »Wenn ich mich nicht täusche, ist das das einzige Kleid, das du besitzt, mein Kind«, sagte sie. »Etwas wenig für eine so lange Reise, wie sie uns bevorsteht, meinst du nicht? Ich fürchte, wir werden dich neu einkleiden müssen.« Sie seufzte übertrieben. »Und nachdem ich das letzte Mal so sehr danebengelegen habe, was deine Größe angeht …«
    »Und meinen Geschmack«, sagte Cindy.
    Mrs Walsh ignorierte den Einwurf und fuhr unbeeindruckt fort: »… halte ich es für das Beste, wenn du mich dieses Mal begleitest.«
    »Sie wollen mit ihr in die Stadt?«, fragte Bast. Der Gedanke gefiel ihr nicht.
    Mrs Walsh schüttelte jedoch den Kopf. »Nur zwei Straßen weiter, zu Vater McNeill.«
    »Dem Pfaffen?«,

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