Anubis 02 - Horus
guttun. Trinken Sie!« Mrs Walsh setzte die Tasse aus hauchdünnem chinesischem Porzellan behutsam und mit beiden Händen an Maistowes Lippen, zugleich aber auch mit einem solchen Nachdruck, dass dieser nicht einmal auf die Idee zu kommen schien, sich ihr zu widersetzen, sondern den dampfend heißen Inhalt gehorsam hinunterschluckte; auch wenn er anschließend heftig die Lippen verzog.
»Danke«, murmelte er.
Mrs Walsh stellte die zerbrechliche Tasse behutsam auf den kaum weniger zerbrechlich aussehenden dreibeinigen Tisch neben der Couch, auf der Maistowe Platz genommen hatte – genau genommen war er eher darauf zusammengebrochen, kaum dass Bast ihn hereingebracht hatte –, und hob die Schultern.
»Ich weiß, er wird Ihnen vermutlich nicht besonders gut schmecken«, sagte sie, »aber er wird Ihnen ganz gewiss guttun. Ich habe einen gehörigen Schuss Ingwersirup hineingegeben, das wird Ihnen helfen.«
Maistowe reagierte nur mit einem weiteren, angestrengt wirkenden Verziehen der Lippen darauf, das Mrs Walsh ein wenig zu verstimmen schien, aber das wohl die einzige Reaktion war, zu der er sich im Moment noch aufraffen konnte. Bast war ebenso erstaunt wie überrascht, dass er den Weg hierher überhaupt noch aus eigener Kraft geschafft hatte … nun ja, wenigstens zum größten Teil. Die letzte Dreiviertelmeile hatte sie ihn getragen, aber sie bezweifelte, dass er sich daran wirklich noch erinnerte. Maistowe war selbst jetzt eher ohnmächtig als bei vollem Bewusstsein und hielt sich nur noch mit letzter Kraft in einer halbwegs sitzenden Position aufrecht. Bast hätte gerne etwas für ihn getan, aber sie konnte es einfach nicht, jedenfalls nicht im Moment und nicht, solange Mrs Walsh in der Nähe war. Nehmen war leider umso vieles leichter als Geben.
»Ich … danke Ihnen«, sagte Maistowe mühsam. Er fuhr sich mit einer fahrigen Handbewegung durch das Gesicht, blinzelte einen Moment lang verständnislos auf seinen eigenen Handrücken hinab, als würde er nicht wirklich begreifen, was er da sah, und schüttelte dann beinahe erschrocken den Kopf, als Mrs Walsh die Hand nach der Teetasse ausstreckte.
»Dann mache ich Ihnen jetzt eine Kleinigkeit zu essen«, erklärte Mrs Walsh. »Nach einer kräftigen Mahlzeit fühlen Sie sich bestimmt besser.«
Maistowe brauchte im Moment so ziemlich alles, nur nichts zu essen, aber er brachte augenscheinlich auch nicht die Kraft auf, um zu protestieren, sondern raffte sich nur zu einem matten Lächeln auf und etwas, das man als Kopfnicken deuten konnte, wenn man wollte. Mrs Walsh stand jedenfalls mit einem leisen Seufzen auf und wandte sich in Richtung Küche – allerdings nicht, ohne Bast im Vorübergehen einen vorwurfsvollen Blick zugeworfen zu haben.
»Danke«, murmelte Maistowe, nachdem sie die Tür hinter sich zugezogen hatte.
Bast sah ihn nur fragend an.
»Dass Sie nichts gesagt haben«, fuhr Maistowe erklärend fort. »Es wäre mir doch … ein wenig peinlich gewesen, wenn Gloria erfahren hätte, dass Sie mich zurücktragen mussten.«
»Oh«, machte Bast überrascht. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich daran erinnern … außerdem war es nur das letzte Stück.«
»Es ist mir … sehr peinlich«, beharrte Maistowe.
»Ich werde niemandem etwas davon sagen«, antwortete Bast. »Von Rechts wegen hätte ich Sie ohnehin liegen lassen und einen Arzt rufen müssen. Der Kerl hätte Ihnen den Schädel zertrümmern können, wissen Sie das eigentlich?«
Maistowe zog erneut eine Grimasse, aber er gewann zuerst einmal Zeit, indem er abermals die Hand hob und mit spitzen Fingern über seinen Hinterkopf tastete. Das Ergebnis war ein schmerzerfülltes Zischen, mit dem er die Luft einsog, und eine nicht minder schmerzerfüllte Grimasse. Als er die Hand schließlich zurückzog und seine Fingerspitzen betrachtete, wirkte er regelrecht erstaunt, kein Blut darauf zu erblicken.
»Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es ihm gelungen ist«, murmelte er.
»Viel hätte nicht gefehlt«, bestätigte Bast ernst. Sie hatte Maistowe untersucht, soweit sie es auf der dunkle Straße gekonnt und der Kapitän der Lady es zugelassen hatte, und war fast erstaunt gewesen, wie glimpflich er trotz allem davongekommen war. Vermutlich würde er in den nächsten Tagen heftige Kopfschmerzen haben, aber das war auch alles.
»Sie hätten ebenso gut tot sein können«, fügte sie hinzu.
Maistowe nickte, und das anscheinend ein wenig zu heftig, denn er verzog schon wieder das Gesicht und
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