Anubis 02 - Horus
ich es nicht einmal für möglich gehalten. Lernt man so etwas dort, wo Sie herkommen?«
»Ich musste früh lernen, mich meiner Haut zu wehren«, antwortete Bast ausweichend. »Und ich hatte Glück … und ein wenig Hilfe.« Sie hob abwehrend beide Hände, als Maistowe widersprechen wollte, und Cleopatra protestierte, als sie dazu mit Kraulen innehielt. »Jetzt stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, Kapitän. Hätten Sie die Kerle nicht abgelenkt, wäre es vielleicht anders ausgegangen.«
Sie hielt Maistowe aufmerksam im Auge, während sie das sagte. Maistowe hielt ihrem Blick überraschend fest stand, und Bast fragte sich immer unbehaglicher, was er eigentlich gesehen hatte. Offenbar mehr, als ihr lieb sein konnte. Sie war bisher davon ausgegangen, dass er die ganze Zeit über bewusstlos gewesen war, aber das war ganz offensichtlich nicht der Fall gewesen. Möglicherweise hatte er zumindest einen Teil von dem gesehen, was geschehen war.
Sie war beinahe froh, als die Tür aufging und Mrs Walsh zurückkam, schwer beladen mit einem Tablett voller Geschirr und einer großen Porzellanschüssel, aus der ein verlockender Duft stieg. Maistowe wollte aufstehen, um ihr zu Hilfe zu eilen, doch Bast drückte ihn mit sanfter Gewalt wieder auf die Couch zurück und erhob sich ihrerseits, wenn auch zu langsam: Mrs Walsh hatte ihr Ziel bereits erreicht und lud ihr Tablett ebenso vorsichtig wie geschickt, aber mit einem hörbaren Klirren auf dem kleinen Schachtisch vor dem Kamin ab, an dem sie am Nachmittag Tee getrunken hatten. Bast musste sie nicht einmal fragen, um zu wissen, dass sie jedes Wort gehört hatte.
Als sie Mrs Walsh half, das Tablett abzuräumen, bemerkte sie, dass sich nur zwei Suppenteller nebst der dazugehörigen Löffel darauf befanden; dazu ein geflochtenes Körbchen mit köstlich duftendem frischem Brot, eine Kanne Tee und drei Tassen aus feinstem chinesischen Porzellan.
»Oh nein«, beantwortete Mrs Walsh eine Frage, die sie noch gar nicht gestellt hatte. »Ich habe bereits gegessen. Und in meinem Alter braucht man ohnehin nicht mehr so viel. Aber ich trinke gern noch eine Tasse Tee mit Ihnen, wenn Sie gestatten.«
»Selbstverständlich«, antwortete Bast. Eigentlich war ihr nicht nach Reden zumute, zumindest nicht über das, was Mrs Walsh vermutlich vorschwebte. Sie hatte Angst, noch mehr Feh1er zu begehen, als ihr ohnehin schon unterlaufen waren. Sowohl Maistowe als auch Mrs Walsh wussten schon entschieden zu viel.
Und da war immer noch dieses Ding in ihr, das knurrend an seiner Kette zerrte.
Trotzdem nickte sie nach einem Augenblick.
Maistowe gesellte sich unsicheren Schrittes zu ihnen, ließ es sich aber dennoch nicht nehmen, einen der schweren Stühle zu ergreifen und herbeizutragen; und er setzte sich auch erst, nachdem Bast Platz genommen hatte. Was auch immer er sonst sein mochte, dachte sie spöttisch, er war ein Gentleman alter Schule.
Mrs Walsh schenkte ihnen Suppe ein und runzelte missbilligend die Stirn, als Cleopatra mit steil erhobenem Schwanz herangetigert kam und lautstark maunzend weitere Streicheleinheiten einforderte, enthielt sich zu Basts Erstaunen aber jeden Kommentars und setzte sich schließlich ebenfalls, um sich einen Tee einzugießen.
»Und vor dem Essen lassen Sie uns dem Herrn danken«, sagte sie streng, »der Sie auf so wunderbare Weise errettet hat. Wollen Sie ein Gebet sprechen?«, fragte sie, an Bast gewandt.
Basts Blick ging beinahe erschrocken zu dem Kruzifix im Winkel, aber sie wusste für einen Augenblick wirklich nicht, was sie sagen sollte. Etwa, dass sie noch nie in ihrem Leben ein Gebet gesprochen – oder dass früher einmal Menschen Gebete an sie gerichtet hatten?
Maistowe rettete sie aus der Verlegenheit. »Vielleicht wäre es besser, wenn jeder still für sich betet.«
Mrs Walsh runzelte die Stirn, aber sie sagte nichts. Sie aßen schweigend. Die Suppe war ebenso heiß wie köstlich, und wenn es sich tatsächlich nur um die Reste von Mrs Walshs Abendessen handelte, dann schien es wohl zu ihren Angewohnheiten zu gehören, für mindestens zwei oder drei Tage vorzukochen; denn obwohl Maistowe kräftig zulangte und sich auch Bast einen Nachschlag nahm, war die Terrine noch nicht einmal zur Hälfte geleert, als sie fertig war und Mrs Walshs fragend-auffordernden Blick mit einem stummen Kopfschütteln beantwortete.
Cleopatra wartete artig, bis sie sich in ihrem Sessel zurücklehnte, dann aber sprang sie blitzartig auf ihren Schoß, wo sie sich zu
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