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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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doch, so keinerlei Erquickung brachte, stand sie auf, wusch sich flüchtig mit dem nicht mehr ganz sauberen und längst kalt gewordenen Wasser vom vergangenen Nachmittag und schlüpfte in ihr schwarzes Kleid, bevor sie noch einmal an den Spiegel herantrat und einen kurzen, abschätzenden Blick hineinwarf.
    Was sie sah, gefiel ihr nicht. Einem anderen wäre es wohl allein durch die nachtschwarze Farbe ihres Gesichts nicht aufgefallen, aber Bast entgingen keineswegs die dunklen Ringe, die unter ihren Augen lagen, oder der ungesunde Glanz ihrer Haut. Ihre Lippen waren spröde geworden und rissig, und als sie noch einmal und genauer hinsah, stellte sie fest, dass ihre Nasenflügel und Fingerspitzen ganz leicht zitterten. Jeder andere – hätte er es überhaupt bemerkt – hätte diese verräterischen Anzeichen auf die Aufregung des vergangenen Abends und mangelnden Schlaf geschoben, doch Bast wusste es besser. Sie war hungrig. Ihre dunkle Schwester begann zu erwachen und verlangte mit Macht nach Nahrung, und da sie sie ihr vorenthielt, begann sie nun damit, sie selbst zu verzehren. Noch war es nicht wirklich gefährlich, doch Bast fühlte schon wieder jenes düstere Wühlen und Gieren tief in sich. Das Ungeheuer zerrte an seinen Ketten. Die Explosion purer Gewalt vom gestrigen Abend hatte es vielleicht ein wenig besänftigt, doch das würde nicht allzu lange vorhalten. Ihr blieb nicht mehr sehr viel Zeit.
    Bast verscheuchte die düsteren Bilder aus ihrem Kopf, bevor sie dem Ungeheuer, das in ihr lauerte, ihrerseits als Nahrung dienen konnten, und wollte sich gerade abwenden, als ihr Blick abermals auf ihrem eigenen Spiegelbild hängenblieb. Sie hatte sich gewaschen, aber anscheinend nicht gründlich genug: An ihrer rechten Hand klebte noch immer Blut. Einige wenige Tropfen nur, die auf ihrer Haut beinahe schwarz eingetrocknet und damit so gut wie unsichtbar waren. Aber so gut wie war nicht genug. Maistowe hatte gestern schon viel zu viel gesehen und begann bereits Verdacht zu schöpfen.
    Während sie sich ein zweites Mal und jetzt sehr viel gründlicher die Hände wusch und anschließend den roten Schal vom vergangenen Abend gegen einen nunmehr ebenfalls schwarzen austauschte und ihn zu einem kunstvollen Turban wickelte, kam sie zu einem Entschluss. Neben etlichen anderen war ihr gestern ein ganz besonders schwerer Fehler unterlaufen, den sie aber auf der Stelle wiedergutmachen würde und konnte.
    Sie verließ das Zimmer und war kein bisschen überrascht, um ein Haar über eine bernsteinäugige schwarze Katze zu stolpern, die direkt vor der Tür saß und erwartungsvoll zu ihr hochblickte. Wie Bast vermutete, schon die ganze Nacht.
    Gegen ihren Willen musste sie lächeln. »Guten Morgen, Kleines«, sagte sie. »Bist du gekommen, um dich bei mir zu beschweren, weil ich nicht auf dich gehört habe?«
    Cleopatra maunzte leise, wie um ihre Frage zu bejahen, und Bast fuhr immer noch lächelnd und mit einem angedeuteten Kopfschütteln fort: »Du hast vollkommen recht, weißt du? Ich war dumm. Aber so sind wir nun einmal. Wir hören selten auf das, was man uns sagt. Dabei hast du dir doch wirklich alle Mühe gegeben.«
    Die Katze maunzte erneut, und Bast ließ sich für einen Moment in die Hocke sinken, um sie mit den Fingerspitzen zwischen den Ohren zu kraulen. »Hast die ganze Zeit vor meiner Tür gesessen und auf mich aufgepasst, habe ich recht? Und ich Dummkopf habe es nicht einmal gemerkt. Wahrscheinlich hätte ich dich besser hereingelassen. Ich bin sicher, du hättest mich vor diesen hässlichen Träumen beschützt.«
    Plötzlich hatte sie das intensive Gefühl, angestarrt zu werden. Bast sah auf und blickte direkt in Mrs Walshs Gesicht, die die Treppe heraufgekommen und so stehen geblieben war, dass sie nun ihrerseits zu ihr heraufblicken musste. Sie sah überrascht aus, und das nicht unbedingt auf angenehme Weise. Ihr Blick irrte beständig zwischen ihr und der Katze hin und her, und Bast konnte regelrecht sehen, wie es hinter ihrer Stirn zu arbeiten begann. Natürlich hatte sie gehört, dass sie mit der Katze gesprochen hatte. Nicht was – Bast begriff erst im Nachhinein, dass sie ganz automatisch zu ihrer Muttersprache gewechselt war –, aber die Tatsache allein, dass sie sich mit einer Katze unterhielt, schien ihr doch einigermaßen seltsam vorzukommen.
    Bast erhob sich mit einer fließenden Bewegung, und Cleopatra sah fast erschrocken zu Mrs Walsh zurück und huschte dann schuldbewusst davon.
    »Ich … verzeihen

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