Anubis 02 - Horus
aufdringliche Art, mit seinem Wissen zu glänzen, ärgerte sie ein bisschen.
»Die Beschläge sind falsch«, sagte sie. »Und der Fahrer stand viel weiter vorne. Außerdem war es ein Einspänner.«
»Mit einer Mitteldeichsel?«, fragte er zweifelnd und ein ganz kleines bisschen überheblich. »Ich bitte Sie!«
»Das Pferd wurde wechselweise rechts oder links angespannt«, antwortete Bast ruhig. »Je nachdem, auf welcher Seite der Bogenschütze stand. Und sie waren kleiner.«
»Die Wagen?« Renouf lächelte milde. »Das hier ist keine Kopie, sondern ein jahrtausendealtes Original – das meiste davon jedenfalls.«
»Die Pferde«, erwiderte Bast. »Vollblüter wie diese hätten in der Wüste nicht lange überlebt. Sie haben kleine, zähe Ponys benutzt … genau wie Ihre Kreuzritter, nebenbei bemerkt.«
Renouf schien einen Moment lang ernsthaft über diese Worte nachzudenken, schüttelte aber dann den Kopf. »Eine interessante Theorie«, sagte er. Aber irgendwie klang es wie blödsinnige. Außerdem schüttelte er noch einmal und nur noch überzeugter den Kopf. »Wir haben eine Menge Aufzeichnungen und Bilder gefunden …«
»… von denen bekannt ist, dass die alten Ägypter ein schwatzhaftes Volk mit einem Hang zum Übertreiben und Heroisieren war«, fiel ihm Bast sanft ins Wort. Sie wusste selbst nicht genau, warum sie das sagte. Der Mann war ihr durchaus sympathisch, soweit man das bei jemandem sagen konnte, den man erst seit ein paar Augenblicken kannte, und doch genoss sie es zugleich, ihm ein paar zugespitzte Bambussplitter unter die Fingernägel zu treiben. Vielleicht nicht wegen dem, wer er war, sehr wohl aber wegen dem, was er war. »Glauben Sie mir, es wäre ein Fehler, alles für bare Münze zu nehmen, was Sie auf Papyrus geschrieben sehen – oder auch in Stein gemeißelt.«
»Sie klingen, als hätten Sie einen solchen Wagen schon einmal gesehen«, sagte Renouf.
Sie war auf einem gefahren. Sie hatte einen Wagen wie diesen in die Schlacht gelenkt, unzählige Male und in viel zu vielen Schlachten. Wer weiß … vielleicht sogar ganz genau diesen Wagen.
»Und wenn?«, fragte sie geheimnisvoll.
Einen winzigen Moment lang wirkte Renouf nun tatsächlich irritiert, aber dann lachte er. »Dann müsste ich Sie unter einem Vorwand verhaften lassen, um dieses Geheimnis aus Ihnen herauszupressen«, sagte er. Er lachte noch einmal, gutmütig. »Sie gefallen mir, Miss Bastet«, sagte er geradeheraus. »Sie hätten nicht zufällig Zeit und Lust, ein wenig mit mir zu plaudern? Um offen zu sein, es kommt selten vor, dass sich mir die Gelegenheit bietet, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.«
»Und welcher Teil ist der Angenehme, und welcher der Nützliche?«
»Beide, natürlich«, sagte Renouf. »Ich kann zwar oft und ausgiebig über meine Passion und meinen Beruf reden, aber meine Gesprächspartner sind meistens nicht nennenswert jünger als die Fundstücke, über die wir reden.«
»Wer sagt Ihnen, dass es bei mir anders ist?«
Jetzt wirkte Renouf so verwirrt, dass er Bast beinahe leidtat. »Wie gesagt«, wiederholte er unsicher, »ich würde gerne ein wenig mit Ihnen plaudern. Es könnte interessant werden.«
»Hätten Sie denn Zeit dafür?«, fragte Bast. »Wo Sie doch hier arbeiten?«
»Das ist richtig«, antwortete er schmunzelnd. »Ich bin der Direktor der ägyptischen Abteilung, genauer gesagt: der Abteilung für orientalische Altertümer. Meine Stellung, wenn auch nicht unumstritten, gewährt mir doch gewisse Privilegien.«
»Sie versuchen nicht zufällig, mir den Hof zu machen, Mister Renouf?«, fragte Bast.
»Keineswegs«, antwortete Renouf. Er klang ein bisschen erschrocken. »Ich war nur angenehm überrascht, jemanden Ihrer … ähm … Herkunft hier bei uns zu sehen, und sein Interesse zu bemerken.« Er lächelte schüchtern. »Und Ihr Urteil?« Er sah sie nichts anderes als auffordernd an. »Reden Sie ruhig frei von der Leber weg. Nur weil ich Professor für orientalische Sprachen und alte Geschichte bin, bedeutet das nicht, dass ich nicht offen für andere Meinungen wäre.«
Bast seufzte lautlos in sich hinein. Renouf versuchte ihr den Hof zu machen, aus welchem Grund auch immer, und auch wenn da ein winziger Teil in ihr war, dem dieser Gedanke schmeichelte, war das doch zugleich im Moment so ziemlich das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Sobald sie eine ruhige Minute fand, dachte sie, sollte sie dringend über die genaue Bedeutung des Wortes unauffällig nachdenken.
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